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Das blaue Mädchen

Titel: Das blaue Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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angefangen.« Tim schwankte ein bisschen. »Und jetzt will ich tanzen.«
    Sie sahen ihm nach, wie er sich aufmachte, ein Mädchen zu suchen.
    »Eine Schande, dass er nie das Maul aufkriegt«, sagte Marsilio. »Bei Tim müsste eine Frau schon das zweite Gesicht haben, um draufzukommen, dass er in sie verknallt ist.«
    Tim hatte ein Mädchen gefunden und tanzte mit ihm. Er winkte ihnen zu und hielt sich an der Schulter des Mädchens fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Und wieder fängt alles von vorn an«, sagte Marsilio.
    Marlon bestellte eine Cola mit Schuss. Ganz nüchtern war das
Pradis
nicht auszuhalten. Ein Mädchen kam zu ihm und sah ihn an. Die langen Haare umrahmten ihr Gesicht wie ein Vorhang aus heller Seide. Marlon trank einen großen Schluck, stellte das Glas ab und nahm die Hand, die sie ihm hinstreckte. Warum nicht? Das blaue Mädchen war weit weg. Das Mädchen mit dem seidigen Haar jedoch stand neben ihm. Und wie sie ihn anlächelte!
    Er mischte sich mit ihr unter die Tanzenden, begann sich zu bewegen und zu vergessen.

8
    Elsbeth und Karen benahmen sich nicht anders als sonst. Als hätte Maras Zusammenbruch gar nicht stattgefunden oder als gehörte er zu den Phasen, die man im Strafhaus eben durchlief. Sie holten sie zum Morgengebet und brachten ihr das Frühstück. Am Abend zuvor hatten sie die Bettwäsche gewechselt, die Handtücher ausgetauscht und neues Toilettenpapier hingestellt. Zuverlässig und stumm wie sonst auch.
    Das Toilettenpapier, dachte Mara. Ich hätte es als Kalender benutzen können. Wieso bin ich nicht darauf gekommen?
    Aber das hatte keine Bedeutung mehr.
    Sie wickelte sich in die Bettdecke. Ihr war kalt. Dabei versprach der Himmel nach dem heftigen Regen in der Nacht einen schönen, heißen Tag.
    Himmelblau, dachte Mara. Ein Sommerwort.
    Sie war froh, dass sie noch denken konnte.
    Was kam nach dem Schreien? Gab es welche, die danach anfingen, sich hin und her zu wälzen und ihre Kleider zu zerreißen? Zu beten? Zu betteln? Riefen sie nach La Lune, um sich reuig vor ihr niederzuwerfen? Versuchten sie, ihr einen Handel vorzuschlagen?
    Als ob La Lune mit sich handeln ließe.
    Mara zog die Decke fester um die Schultern. Diese Art von Kälte kannte sie nicht. Es war nicht das Frösteln, das eine Erkältung ankündigte. Es war ein Frieren von innen heraus. Nichts half dagegen.
    Wenn doch Timon hier wäre. Er würde sie wärmen. Egal wie kalt es war, er hatte immer warme Hände und Füße.
    »Du bist besser als jede Wärmflasche«, hatte Mara einmal zu ihm gesagt und sich zitternd an ihn gedrängt. Es war an einem frostklaren Winterabend gewesen. Der Himmel hing voller Sterne. Die dünne Schneedecke, die den Boden bedeckte, war hart gefroren und knirschte unter ihren Schritten. Sie hatten sich eine Stelle tief im Wald gesucht, wo sie einigermaßen geschützt waren.
    Timon hatte sie an sich gezogen und gelacht. »Hast du häufiger solche unwiderstehlichen Anfälle von Romantik?«
    Da hatte auch Mara lachen müssen.
    Sie hatten oft gelacht.
    Mara lächelte bei der Erinnerung. Das Lächeln fühlte sich fremd an auf ihrem Gesicht.
    Sie wäre jetzt gern in die kleine Kirche gegangen, um eine Kerze anzuzünden. Um das stille Licht flackern zu sehen. Ihre Sehnsucht, sich auf eine der schmalen Holzbänke zu setzen und hinter den bunten Glasfenstern Ruhe zu finden, war so groß, dass es wehtat.
    Sehnsucht.
    Sie dachte, seit sie hier war, oft über Worte nach. Viele verloren beim genauen Hinsehen ihre Selbstverständlichkeit.
    Sehnsucht.
    Ein Sehnen, stark wie eine Sucht? Oder die Sucht, sich zu sehnen?
    Gertrud hätte ihr den Ursprung dieses Worts bestimmt erklären können. Sie wusste fast alles. Und wenn sie doch einmal eine Frage nicht beantworten konnte, zog sie ein Buch aus dem Regal, in dem sie die Antwort fand.
    Auch der Pfarrer besaß ein großes Wissen. Aber Mara hatte sich schon lange nicht mehr mit ihm unterhalten. Bei ihrem letzten Gespräch hatte er darauf bestanden, dass der Gott der Menschen draußen, sein Gott, der einzige Gott sei. Das hatte Mara erschreckt. Es erinnerte sie zu sehr an La Lune.
    Die Mondheit ist die einzig wahre Göttin, der einzig wahre Gott.
    In der antiken Mythologie wimmelte es von Göttern und Göttinnen. Es gab einen Gott des Feuers, eine Göttin der Schönheit, einen Gott des Krieges, einen Sonnengott, einen Gott des Meeres, eine Göttin der Jagd. Und noch viele mehr. Sie alle waren eine Familie. Und manchmal fanden sie Gefallen an einem

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