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Das blaue Mädchen

Titel: Das blaue Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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gesehen.
    Sie hatte Marlon nach draußen gezogen und ihn wieder geküsst. Mit schnellen, geübten Bewegungen hatte sie sein Hemd aufgeknöpft und ihre Hände waren kalt gewesen auf seiner Haut. Er hatte bemerkt, dass auch andere hier standen, sich küssten und streichelten. Das hatte ihn schlagartig ernüchtert.
    »Nicht hier«, hatte er geflüstert.
    Und da hatte sie ihm den Vorschlag gemacht, mit ihr nach Hause zu gehen.
    In diesem Augenblick war Tim aus der Tür getorkelt. Er hatte die Arme ausgestreckt und sich mit dem Mond verbrüdert.
    »Zuerst muss ich meinen Freund nach Hause bringen«, hatte Marlon gesagt und das Hemd wieder zugeknöpft.
    Ihre Stimme war plötzlich nicht mehr sanft gewesen. Sie hatte ihn angestarrt. »Dann verpiss dich«, hatte sie gezischt und sich auf dem Absatz umgedreht.
    »Es dauert doch nicht lange!«, hatte Marlon ihr nachgerufen.
    Nach einer Weile war sie mit ihrer Freundin wieder aus dem
Pradis
gekommen und die beiden waren in der Dunkelheit verschwunden.
    Jetzt war Marlon froh darüber. Er stand auf, ging ins Bad, zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Danach fühlte er sich besser. Er zog frische Sachen an und ging hinunter in die Küche.
    Die Eltern hatten längst gefrühstückt und das Vieh war versorgt. An den Sonntagen durften Marlon und die Zwillinge ausschlafen.
    Die Schwestern saßen schon am Frühstückstisch.
    »Ich sehe was, was du nicht siehst«, sagte Greta, »und das ist...«
    »...verkatert.« Marlene kicherte.
    »Sehr witzig!« Marlon nahm sich eine Scheibe Brot. »Wo ist Papa?«
    »Bei Heiner Eschen.« Die Mutter schenkte ihm Kaffee ein. »Der hat Probleme mit einer kalbenden Kuh.«
    »Ich werde keine Bäuerin«, sagte Marlene. »Im Leben nicht.«
    »Das hatte ich auch nicht vor, als ich ein junges Mädchen war.« Die Mutter setzte sich zu ihnen an den Tisch. »Ich wäre gern Schauspielerin geworden.«
    »Schauspielerin?«, fragte Greta. »Du?«
    Die Mutter nickte. »Ich hab im Freilichttheater mitgespielt. Da habe ich dann Papa kennen gelernt.«
    Marlon vergaß weiterzuessen. Darüber hatte sie noch nie gesprochen.
    »Hat Papa da auch mitgespielt?«, fragte Marlene.
    Die Mutter schüttelte den Kopf. »Er saß bei den Zuschauern. Und als das Stück zu Ende war, ist er aufgesprungen und hat geklatscht und ‘Bravo!’ gerufen. Immer wieder. Er konnte sich gar nicht beruhigen.«
    Marlene blickte ungläubig zwischen Greta und Marlon hin und her. »Papa?«
    Die Mutter lächelte. »Sechs Monate später waren wir verheiratet und ich war Jungbäuerin auf dem Hof.«
    »Und unter Omas Knute«, sagte Greta.
    Auch Marlon konnte sich noch gut an die herrische Art seiner Großmutter erinnern. Sie hatte allen das Leben schwer gemacht, am meisten jedoch ihrer ungeliebten Schwiegertochter.
    »Wie hieß denn das Stück, in dem du damals mitgespielt hast?«, fragte Marlene.
    »Das verlorene Erbe.«
Die Mutter schmunzelte. »Ein fürchterlicher Schmalz, den irgendein Heimatdichter verbrochen hatte. Die Leute lachten immer an den falschen Stellen. Es war ein ziemlicher Reinfall.«
    »Und dann hast du deine Karriere für Papa aufgegeben«, vermutete Greta.
    »Karriere würde ich das nun wirklich nicht nennen.«
    »Aber es hätte eine werden können«, sagte Marlene. »Dann wärst du heute berühmt und stinkreich und alle Zeitungen würden über dich schreiben.«
    »Ich würde mein Leben nicht gegen ein anderes eintauschen.«
    »Eine komische Frau bist du.« Greta stand auf und gab der Mutter einen Kuss auf die Wange.
    »Aber eine liebe.« Marlene küsste die Mutter auf die andere Wange und folgte ihrer Schwester in die Diele.
    »Sie sind an der Kieskuhle zum Schwimmen verabredet«, sagte die Mutter zu Marlon. »Und du?«
    »Vielleicht mache ich ein paar Fotos. Ich habe einen fürchterlichen Brummschädel. Die Luft im
Pradis
war grauenvoll.«
    »Ach, die Luft, ja?«
    »Komm, Mama. Wenn du dir schon unnötige Sorgen machen willst, dann lieber um die Mädchen. Ich kann ganz gut allein auf mich aufpassen.«
    »Bist du sicher?«
    Marlon umarmte sie und verließ die Küche. Er holte die Tasche mit der Kamera aus seinem Zimmer und trat in den sonnigen, immer noch dunstigen Morgen hinaus. Sonntag. Es war sehr still. Das Dorf wirkte wie ausgestorben.
    Auch bei den Kindern des Mondes drüben war es ruhig. Die Wahrscheinlichkeit, heute das Mädchen zu sehen, war gering, denn an den Sonntagen ließen sich die Mitglieder der Sekte kaum draußen blicken. Marlon beschloss, im Wald zu

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