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Das blaue Mädchen

Titel: Das blaue Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Größe der Kinder zugeschnitten. La Lune wies in den pädagogischen Vorträgen, die sie bei den Informationsveranstaltungen manchmal hielt, gern darauf hin.
    In einer Umgebung, die ausschließlich den Bedürfnissen der Erwachsenen gerecht wird, sind die meisten Gegenstände für ein Kind unerreichbar. Alles erscheint dem kindlichen Auge überdimensioniert. Selbst ein Stuhl kann ein unüberwindbares Hindernis darstellen.
    Für solche Sätze hatte Jana La Lune geliebt. Nur jemand wie sie, hatte sie gedacht, kann sich so in die Sichtweise eines Kindes einfühlen. Inzwischen wusste sie, dass La Lunes Erkenntnisse nicht neu und vielleicht nicht einmal ihre eigenen waren. Und natürlich verriet La Lune auch nicht, dass sich die Wirklichkeit bei den Kindern des Mondes in vielem von dem unterschied, was La Lune vor dem Mikrofon vertrat.
    Da erschien Tanja in der Tür und forderte Miri und Indra auf, wieder in den Gruppenraum zu kommen. Indra klappte sofort das Buch zu, das sie sich angeschaut hatte, trug es zum Tisch und lief hinaus.
    Miri blieb liegen.
    »Hast du mich nicht gehört?«, fragte Tanja.
    »Doch. Ich will aber hier bleiben.«
    Tanja nahm ihr wortlos das Buch ab, hob sie hoch und trug sie zur Tür. Jana hörte Miri wütend protestieren, dann ertönte wieder das vielstimmige
Mond, Mond, Mond
.
    Jana ballte die Hände zu Fäusten. Ihr war übel. Welchen Sinn machte es, die Räume der Kinder mit niedlichen kleinen Möbelstücken auszustaffieren, wenn die Erwachsenen Riesen blieben?
    Rasch brachte sie die Arbeit zu Ende, räumte die neuen Bücher ein, hängte sich die Tasche über die Schulter und verließ das Kinderhaus.
    Weglaufen, dachte sie. Miri bei der Hand nehmen und mit ihr weglaufen.
    Doch das war keine Lösung. Vor allem dann nicht, wenn man nicht wusste, wohin man laufen sollte.

    Der Doktor hatte nach einer kranken Kuh gesehen, die sie im Stall isoliert hatten.
    »Wo Sie schon mal da sind«, sagte Marlon auf dem Weg nach draußen, »würden Sie sich auch den Hund angucken? Er kann sich immer schlechter bewegen. Und seit gestern frisst er nicht mehr. Irgendwas ist mit seinem Hals.«
    Er hatte die Schwellung am Morgen bemerkt, als er den Hund gestreichelt hatte. Sie hatte ihm einen höllischen Schrecken eingejagt.
    Der Hund lag in der späten Nachmittagssonne und hob den Kopf, als er sie aus der Tür kommen sah. Sein Schwanz klopfte freudig auf den Boden.
    »Na, alter Junge.« Der Doktor kniete sich neben ihn. »Was machst du denn für Geschichten?«
    Behutsam tastete er den Hals ab, den Bauch, fuhr mit geübten Fingern über die Gelenke und zog dann das Stethoskop aus der Tasche.
    »Das Herz«, sagte er, als er mit der Untersuchung fertig war. »Und wenn das Herz Probleme macht, sammelt sich oft Wasser im Körper an. Deshalb kann er nicht schlucken.« Er reichte Marlon eine kleine Schachtel. »Gib ihm jeden Tag eine halbe von diesen Herztabletten. Zum Entwässern bekommt er eine Spritze. Nächste Woche sehe ich ihn mir noch mal an. Und was seine Gelenke angeht – Marlon, er ist alt, da kann ich nichts tun. Geh ab und zu ein bisschen mit ihm spazieren, aber lass ihn selbst das Tempo bestimmen.«
    Marlon sah ihm nach, als er in seinem klapprigen Renault davonfuhr. Kein Wunder, dass er bei den Bauern beliebt war. Er sah aus wie einer von ihnen und benahm sich auch so. Auf nichts reagierten die Leute im Ort allergischer als auf einen feinen Pinkel.
    In der Küche verabreichte Marlon dem Hund die erste halbe Tablette. Er drückte sie in ein Stück Leberwurst, sodass der Hund sie nicht riechen konnte. Dann setzte er sich noch eine Weile an den Schreibtisch.
    Bald war Melkzeit und danach würde er dem Rat des Doktors folgen und mit dem Hund einen Spaziergang machen. Der Weg zur Lichtung schien ihm genau der richtige zu sein.

    Mara blieb an der Tür stehen und sah sich um. Sie hatte den großen, stillen Raum ganz für sich allein. Vor der Marienskulptur brannten die Kerzen. Durch die bunten Fenster fiel Zauberlicht. Mara atmete tief ein. Dieser Geruch. Wie sie ihn vermisst hatte.
    Sie wusste, dass es nicht der Geruch selbst war, der ihr gefehlt hatte, sondern all das, was sie mit ihm verband. Dieser Ort war ihr Stück von der Welt draußen. Ihr Asyl. Jedes Mal für kurze Zeit.
    Sie zündete zwei Kerzen an, eine für sich und eine für Timon. Dann legte sie ihre Geschenke daneben, eine Rosenblüte und einen kleinen, runden, zart gemaserten Stein. Langsam ging sie durch den Mittelgang zurück und setzte sich in

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