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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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können. Es war eine Erleichterung, als Mama uns rief und sagte, es sei an der Zeit, nach Hause zu gehen.
     
     
    David und Paul waren unsere Feinde. Wir haßten sie, und als Mama eine Gegeneinladung vorschlug, stieß sie auf so ent schiedenen Widerstand, daß sie den Mut verloren und geknif fen hat. „Vielleicht in den nächsten Ferien… “ , murmelte sie kleinlaut. „ Jetzt müßt ihr alle sowieso bald wieder in die Schule.“
    Die Schule war ein weiteres Problem. Eine große Schule mit rauhem Klima, die Welten von den vornehmen Instituten trennten, die wir in London besucht hatten. Barney mochte sie, denn er genoß den Radau auf dem Schulhof und die Spiele im Freien in vollen Zügen. Für mich war es schon schwieriger, doch ich war nirgendwo besonders gut oder besonders schlecht, und deshalb gelang es mir, in beschaulicher Anony mität unterzutauchen. Aber für Lalla war es der reinste Alp traum. Ihre Klassenkameradinnen zeigten ihr von Anfang an die kalte Schulter und machten sich über sie lustig, und je un freundlicher sie behandelt wurde, um so mehr zog sie sich zu rück und um so abweisender gab sie sich. Ihr Spitzname war Prinzessin, und das war nicht als Kompliment gemeint.
    „Es liegt nur daran, daß du so hübsch bist“, versuchte ich sie auf der Heimfahrt im Bus zu trösten. „Und daran, daß du in der Schule so gut bist und nicht ständig kicherst oder dich albern benimmst.“ Ich suchte nach weiteren Argumenten, um sie auf zuheitern. „Sie sind eifersüchtig auf dich. Weil alle Jungen dir nachschauen und dich zum Bus begleiten wollen und so.“
    „Eifersüchtig!“ Ihre Stimme triefte vor Verachtung. „We gen dieser pickelgesichtigen Rüpel?“
    „Wenn du vielleicht manchmal ein bißchen lachen würdest. Mit ihnen. Verstehst du?“
    „Sie sagen nichts, was mich zum Lachen reizt.“
    „Du könntest doch so tun als ob.“
    „Das tue ich bestimmt nicht.“
    Sie wandte sich von mir ab und schaute aus dem Fenster. Ich seufzte und hielt den Mund. Wenn sie sich weder mit den Roy ston-Jungs noch mit den Mädchen in ihrer Klasse anfreundete, dann sah es nicht so aus, als ob sie sich überhaupt mit irgend jemandem anfreunden würde. Und wenn sie mit niemandem Freundschaft schloß, wie sollten Barney und ich das dann schaffen? Ich seufzte noch einmal und zog mein Geschichts buch aus der Tasche. Die Busfahrt dauerte eine halbe Stunde, in der ich auch einen Teil der Hausaufgaben machen konnte, wenn Lalla doch nicht auf mich hören wollte.
     
     
    Als die Sommerferien anfingen, schien Mama vergessen zu haben, daß wir eigentlich die Royston-Jungs zu uns einladen müßten, und wir hüteten uns, sie daran zu erinnern. Ihre Na men wurden nie erwähnt. Wir sahen sie höchstens von weitem, wenn sie ins Dorf oder zum Strand hinunterradelten. Sonntags hatten sie am Nachmittag manchmal Gäste, mit denen sie Ten nis spielten. Da konnten wir von unserem Garten aus ihre Stimmen hören, wenn sie sich gegenseitig anfeuerten oder über den Punktestand nicht einigen konnten. Ich wäre liebend gern dabeigewesen, während Lalla, in ein Buch vertieft, sich so be nahm, als gäbe es die Roystons überhaupt nicht. Barney hatte inzwischen begonnen, im Garten zu arbeiten und mit gewohn ter Zielstrebigkeit sein eigenes Gemüsebeet umzugraben. Er verkündete, er wolle Salat anbauen und verkaufen, was Mama damit kommentierte, daß er vielleicht derjenige sei, der uns zu Wohlstand verhalf.
     
     
    Es war ein heißer Sommer, wie fürs Schwimmen gemacht. Lalla war aus ihrem alten Badeanzug herausgewachsen, des halb nähte ihr Mama aus Baumwollresten einen Bikini. Er war hellblau, genau die richtige Farbe für ihre Sonnenbräune und ihre langen blonden Haare. Sie sah schön aus damit, und ich wünschte mir sehnlichst, so auszusehen wie sie. Nachdem wir herausgefunden hatten, wann Ebbe und wann Flut war, gin gen wir fast jeden Tag an den Strand und sahen dort oft die Royston-Jungs, aber der Strand war so breit, daß wir uns nicht auf die Pelle rücken mußten, und wir vermieden es alle offen sichtlich, einander zu nahe zu kommen.
    Bis zu einem bestimmten Sonntag. Die Flut setzte an diesem Tag nachmittags ein, deshalb packte uns Mama einen Pick nickkorb, und wir machten uns nach dem Mittagessen auf den Weg. Als wir am Strand eintrafen, beschloß Lalla, gleich ins Wasser zu gehen, aber Barney und ich wollten noch warten. Also zog sie ohne uns los, langbeinig und allein. Ihr rotes Handtuch flatterte wie eine Fahne hinter ihr her,

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