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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Stimme heiter klang. Sie ging an die Tür und klopfte, und dann, als ihr viel leicht klar wurde, daß es lächerlich war, an der eigenen Tür zu klopfen, öffnete sie sie. Wir sahen jemanden durch den schma len Flur auf uns zukommen – eine dicke, geschäftige Frau mit grauem Haar und einer grell geblümten Kittelschürze. Der Makler hatte sie hergeschickt, um die Heißwasseranlage in Gang zu setzen. In den folgenden Tagen lernten wir sie näher kennen, und schon bald hatten wir sie auch sehr gern, doch an jenem Abend war sie uns so fremd und unbekannt wie alles an dere auch.
    „Ach, du meine Güte“, rief sie aus, „muß das eine anstren gende Fahrt gewesen sein! Was kann ich denn für Sie tun? Ein Kessel Wasser ist schon warm gestellt, und im Backofen steht eine Pastete.“ Über Mamas Schulter hinweg entdeckte sie uns drei Kinder, wie wir da im Dunkeln standen und sie neugierig betrachteten. „Na, ihr Lieben, kommt doch herein, es ist ja so kalt draußen.“
     
     
    Diese Nacht brachten wir auf dem blanken Fußboden zu, nur in Schlafsäcke gehüllt, die wir noch von einem früheren Cam pingurlaub hatten. Doch am nächsten Tag traf der Möbelwa gen ein, und wir machten uns alle an die Arbeit. Verglichen mit dem Haus, in dem wir in London gewohnt hatten, war dieses winzig, aber jeder von uns hatte ein eigenes Zimmer, und es gab einen Speicher für die Puppenstube, die Bücher, Bau klötze, Modellautos und Malkästen, von denen wir uns nicht hatten trennen wollen. Außerdem stand neben der Garage ein baufälliger Schuppen, in dem wir unsere Fahrräder unterstel len konnten. Der Garten war sogar noch kleiner als der in Lon don, das störte uns aber nicht, weil wir ja jetzt auf dem Land lebten und unserem neuen Revier keine Grenzen gesetzt waren.
    Wir erkundeten die Gegend. Wir fanden einen Weg, der durch ein Waldstück zu einer ausgedehnten Flußmündung führte, in der man von einem alten Deich aus Flundern fischen konnte. In der anderen Richtung gelangte man über einen schmalen, sandigen Pfad an der Kirche vorbei, über den Golf platz und durch die Dünen zu einem Strand – einem breiten, unverbauten Küstenstreifen, an dem sich das Meer bei Ebbe eine halbe Meile oder noch weiter zurückzog, so daß die Wel len weit draußen am blauen Horizont schäumend im Sand ausliefen.
    „Ihr müßt vorsichtig sein“, erklärte uns Mrs. Bristow, „wenn die Zeit kommt, in der ihr schwimmen gehen könnt. Dieser Strand ist nicht ungefährlich, aber nur bei Ebbe. Wenn das Wasser steigt, könnt ihr immer baden, doch sobald die Ebbe einsetzt, gibt es Strömungen, die euch glatt umschmei ßen und hinausziehen.“
    Sie war gerade dabei, Safranplätzchen zu backen, und wir hingen alle in der Küche herum und warteten darauf, daß sie aus dem Backofen kamen.
    „Woran merken wir, ob das Wasser noch steigt oder schon fällt?“ wollte Barney wissen.
    „Ihr müßt euch nach jemandem umsehen, der mit euch an den Strand runtergeht und es euch erklärt. Laßt es euch zei gen, dann wißt ihr Bescheid. Die Jungs werden euch sicher mitnehmen.“
    „Welche Jungs?“
    „Die Royston-Jungs.“
    Die Roystons bewohnten das große Herrenhaus, und ihnen gehörte auch das Pförtnerhäuschen. Bisher hatte sie noch keiner von uns zu Gesicht bekommen, obwohl Mama bereits mit etwas bangen Gefühlen über die lange Auffahrt gepilgert war, um Mrs. Royston kennenzulernen und sich bei ihr dafür zu bedanken, daß sie uns als Mieter aufgenommen hatten. Aber Mrs. Royston war nicht zu Hause gewesen, und unsere arme Mama hatte unverrichteterdinge zurückkehren müssen.
    „Wie alt sind die Jungs?“ fragte Barney.
    „Ich glaube, David ist dreizehn und Paul ungefähr elf.“
    Mrs. Bristow schaute uns an. „Ich weiß gar nicht, wie alt ihr eigentlich seid.“
    „Ich bin sieben“, sagte Barney, „und Jane ist zwölf und Lalla vierzehn.“
    „Schön“, meinte Mrs. Bristow. „Das trifft sich ja gut. Da paßt ihr prima zusammen.“
    „Sie sind viel zu jung für uns“, behauptete Lalla. „Immerhin hab ich sie schon gesehen. Ich habe für Mama Wäsche aufge hängt, und da sind sie auf ihren Fahrrädern die Auffahrt her untergekommen und zum Tor hinausgeradelt. Sie haben nicht einmal einen Blick in meine Richtung geworfen.“
    „Ach, komm“, sagte Mrs. Bristow. „Wahrscheinlich sind sie genauso schüchtern wie ihr.“
    „Wir legen keinen besonderen Wert darauf, ihre Bekanntschaft zu machen“, erklärte Lalla.
    „Aber…“, setzte ich an und

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