Das blaue Zimmer
Fairhurst & Han bury.“
„Du hast den Posten!“
Er trat von ihr zurück, und sie sahen sich an. Dann machte Alison ein Geräusch, das sich halb wie ein Schluchzen, halb wie ein Triumphgeschrei anhörte, und warf sich an seine Brust. Er ließ Aktenmappe, Zeitung und Rosen fallen und nahm sie in seine Arme.
Nach einer Weile sprang Catkin, von dem Tumult aufge stört, aus seinem Korb, um die Rosen zu begutachten, aber als er feststellte, daß sie nicht eßbar waren, legte er sich wieder auf seiner Decke schlafen.
Lalla
E s gab ein Vorher und ein Nachher. Vorher, das war, bevor unser Vater starb, als wir noch in London wohnten, in einem hohen, schmalen Haus mit einem kleinen Garten dahinter; als die ganze Familie jeden Winter zum Skilaufen fuhr und wir Kinder sehr gute – und wahrscheinlich sündhaft teure – Schulen besuchten. Vorher, das bedeutete Ballettstunden, Theaterbesuche und Konzerte im Regent Park.
Unser Vater war ein großer, geselliger und ungemein lebhaf ter Mann. Wir haben ihn für unsterblich gehalten, aber schließlich halten die meisten Kinder ihren Vater für unsterb lich. Schlimm war nur, daß Mama ihn ebenfalls für unsterblich gehalten hatte, und als er dann auf dem Bürgersteig zwischen dem Versicherungsbüro, in dem er arbeitete, und dem Firmenwagen, in den er gerade einsteigen wollte, einfach umfiel und tot war, wußten wir zunächst weder aus noch ein. Ver waist, verunsichert und wie verloren, hatten wir keine Ah nung, was wir tun sollten. Aber nach der Beerdigung und nach einem Gespräch mit dem Anwalt der Familie raffte Mama sich in aller Stille zu einem Entschluß auf.
Zuerst waren wir entsetzt. „London verlassen? Die Schule verlassen?“ Lalla konnte es nicht glauben. „Aber ich mache doch nächstes Jahr meine mittlere Reife.“
„Es gibt ja noch andere Schulen“, erklärte Mama.
„Und was wird aus Janes Klavierstunden?“
„Wir werden einen anderen Lehrer finden.“
„Ich habe nichts dagegen, wenn ich von der Schule muß“, sagte Barnes. „Ich mag meine Schule sowieso nicht beson ders.“
Mama lächelte ihm zu, doch Lallt fragte hartnäckig wei ter. „Wo sollen wir denn wohnen?“
„Wir ziehen nach Cornwall.“
„Cornwall!“ Bei Lallt hörte es sich an, als verschlüge es uns auf den Mond. „Warum um alles in der Welt nach Corn wall?“
„Wenn wir schon aus diesem Haus und aus London raus müssen“, erklärte Mama, „und das müssen wir, weil wir ein fach nicht genug Geld haben, um hierzubleiben, dann können wir uns auch irgendwo ansiedeln, wo es wenigstens hübsch ist. Ich habe ein kleines Haus gefunden, das wir mieten können. Es ist das ehemalige Pförtnerhaus eines größeren Anwe sens in einem Dorf, das Carwheal heißt. Es liegt am Meer, und es gibt in der Gegend gute Schulen. Wir müssen eben das Beste daraus machen.“
„Aber wir kennen dort niemanden.“
„Wir werden neue Freunde finden. Und unsere Londoner Freunde werden uns im Sommer vielleicht besuchen kom men. Ihr könnt dort fischen und schwimmen und surfen.“
„Und was tun wir im Winter?“ wollte Lalla wissen. „Heißt das, daß wir nie mehr in unser geliebtes Val d’Isere fahren können?“
„Vielleicht doch, irgendwann“, sagte Mama, „wenn wir alle unser Glück gemacht haben.“
Ich ertrug es nicht, sie von Glück reden zu hören, während ich wußte, daß sie vor Schmerz noch wie betäubt war. Deshalb nahm ich sie in die Arme und behauptete: „Ich mache be stimmt mein Glück. Ich werde Konzertpianistin und verkaufe Tausende von Schallplatten.“
„Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm“, beteuerte Mama. „Hauptsache, wir sind zusammen.“
Und so begann das Nachher. Mama verkaufte das Pachtrecht an dem Haus in London, dann rückten die Männer einer Spe dition an und luden unsere Möbel ein, während wir, jeder in seine Gedanken versunken, mit dem Auto nach Cornwall fuh ren. Es war Frühling, und weil Mama unterschätzt hatte, wie lange die Fahrt dauern würde, war es bereits dunkel, als wir den Ort und endlich auch das Haus fanden. Es stand gleich hin ter einem großen, zweiflügeligen Gartentor, vor riesigen Bäu men, und als wir steif und müde aus dem Auto stiegen, konnten wir das Meer riechen und ein kalter Wind rüttelte an den Zwei gen hoch über uns.
„Da brennt ja Licht im Fenster“, stellte Lalla fest.
„Das wird Mrs. Bristow sein“, meinte Mama, und ich wußte, daß sie sich große Mühe gab, damit ihre
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