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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Mundwinkel nach unten bog. „Laß uns nicht wieder streiten, Tom.“
    „Mein Großvater sagte immer, das Leben ist zu kurz zum Streiten.“
    „Ich habe dir noch nicht gesagt, wie leid es mir tut… daß er… es ist für uns alle ein Verlust. Ich weiß nicht, wie ich es richtig sagen soll.“
    „Ist schon gut“, sagte Tom. „Manche Dinge muß man nicht aussprechen. Komm jetzt.“
    Toby schienen sie vergessen zu haben. Sie schlenderten fort von ihm, über die Weide, Tom hatte den Arm um Vicky ge legt, und Vickys nasser Kopf lehnte an Toms Schulter.
    Toby beobachtete die zwei zufrieden. Mr. Sawcombe hätte sich gefreut. Er hätte sich auch über Daisys Zwillinge gefreut. Das zweite Lamm war wirklich ein hübscher Bursche, nicht bloß ein Pfundskerl, wie Tom ihn genannt hatte, sondern mit schöner, ebenmäßiger Zeichnung und einem Paar Hörner, schon sichtbar wie Knospen, in weiche, lockige Wolle gebet tet. Wie Mrs. Sawcombe das Lamm wohl nennen würde?
    Vielleicht Bill. Tom blieb, bis es zu naß und zu kalt wurde, um noch länger herumzustehen. Er kehrte den Schafen den Rüc ken und machte sich auf den Heimweg.
    Seine Mutter kam von ihrem Besuch bei Mrs. Sawcombe zu rück und bereitete ihm zum Tee eine üppige Mahlzeit mit Fischstäbchen, Chips und Bohnen, Pflaumenkuchen und Schokoladenplätzchen. Während er kräftig futterte, berich tete er von dem großen Abenteuer mit Daisy. „… und Tom und Vicky sind wieder dicke Freunde“, erzählte er ihr.
    Nach dem Tee kam Tobys Vater vom Büro nach Hause, und sie sahen sich zusammen im Fernsehen ein Fußballspiel an. Da nach ging Toby nach oben in die Badewanne. Er lag in dem hei ßen, dampfenden Wasser, das nach Fichtennadeln duftete, weil er ein wenig von der Essenz aus Vickys Flasche gemopst hatte, und befand, daß der Tag alles in allem doch nicht ganz so schlimm gewesen war. Und dann beschloß er, seiner Großmutter einen Besuch abzustatten, die er den ganzen Tag nicht gesehen hatte.
    Er stieg aus der Wanne, zog seinen Schlafanzug und seinen Bademantel an und ging durch den Flur, der zu ihrer Wohnung führte. Er klopfte an die Tür, sie rief „Herein“, und es war, als trete er in eine andere Welt, weil ihre Möbel und Vorhänge und alle ihre Sachen so anders waren. Niemand sonst hatte so viele Fotografien und Nippessachen, und ständig brannte im Ka min ein kleines Kohlenfeuer. Er fand seine Großmutter strickend in einem ausladenden Sessel, und auf ihren Knien hatte sie ein Buch liegen. Sie besaß zwar einen Fernsehapparat, aber ihr lag nicht viel daran. Sie las lieber, und immer wenn Toby an sie dachte, sah er sie in das eine oder andere Buch vertieft. Aber wenn er sie unterbrach, legte sie jedesmal ein ledernes Lesezei chen zwischen die Seiten und klappte das Buch zu, um Toby ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen.
    „Hallo, Toby.“
    Sie war schrecklich alt. (Die Großmütter anderer Jungen waren oft recht jung, aber Tobys war sehr alt, weil Tobys Va ter, wie Toby, ein Nachkömmling gewesen war.) Und dünn war sie. So dünn, daß es aussah, als könnte sie entzweibrechen, und ihre Hände waren fast durchsichtig, mit dicken Knöcheln, über die sie ihre Ringe nicht bekam, so daß sie sie immerzu trug. Und sie funkelten und sahen richtig flott aus.
    „Was hast du heute gemacht?“
    Er zog sich einen Hocker heran, setzte sich und berichtete. Er erzählte ihr von Mr. Sawcombe, aber das wußte sie schon. Er erzählte ihr, daß Willie einen Sarg für Mr. Sawcombe schreinerte. Er erzählte ihr, daß er nicht mit David Cowboy ge spielt hatte, und er erzählte ihr von Daisys Lamm. Und dann erzählte er ihr von Vicky und Tom.
    Granny wirkte hocherfreut. „Das ist das Beste. Sie haben den blöden Streit beigelegt.“
    „Meinst du, sie verlieben sich und heiraten?“
    „Kann sein, kann auch nicht sein.“
    „Warst du verliebt, als du Großpapa geheiratet hast?“
    „Ich glaube schon. Es ist so lange her, daß ich es manchmal vergesse.“
    „Hast du… “ Er zögerte, aber er mußte es wissen, und Granny hatte sich noch nie durch eine peinliche Frage in Ver legenheit bringen lassen. „Als er starb… hast du ihn da sehr vermißt?“
    „Warum fragst du? Vermißt du Mr. Sawcombe?“
    „Ja. Den ganzen Tag. Den ganzen Tag hab ich ihn vermißt.“
    „Das gibt sich. Später ist das mit dem Vermissen nicht mehr so schlimm, und dann erinnerst du dich nur an die schönen Zeiten.“
    „Ist es dir mit Großpapa so gegangen?“
     „Ich glaube schon.

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