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Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Titel: Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Konrad
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zu bleiben. Der Auftrag, sich nicht zu entfernen und im Dienste der Familie zu leben, findet sich überproportional häufig in Familien, die ein geschlossenes oder enges Familiensystem haben.
    Andere Familien übergeben den Auftrag, alles ganz anders zu machen, meist sollen die Nachkommen etwas erfüllen, was im eigenen Leben fehlt. Wenn die Kinder ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechend gefördert werden und sie die elterlichen Wünsche erfüllen können, kann eine alte Enttäuschung heilen. In dieser Art der Auftragsvermittlung liegt allerdings die Gefahr, dass die Eltern ihr Kind nicht mehr als eigenständiges Wesen, sondern nur noch als Instrument ihrer eigenen Wunscherfüllung wahrnehmen. Die Erfolge der Nachkommen werden wie eigene gefeiert, und es liegt nahe, dass diese Form der Wünscheübertragung fatale Folgen sowohl für die Entwicklung des Kindes als auch die Eltern-Kind-Beziehung haben kann.
    »Du gehörst mir« – Wenn Kinder als Eigentum der Eltern wahrgenommen werden
    »Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst,
machst du, was ich sage.«
    Deutsche Redensart
    Je weniger das Verständnis für das unabhängige Selbst eines Kindes in Familien verankert ist, desto mehr projizieren Eltern eigene Wünsche auf ihre Kinder. Die Little Miss Shows in den USA sind ein tragisches Beispiel für solche Projektionen. Mütter fahren mit ihren Töchtern quer durchs Land zu Kinder-Miss-Wahlen. Die kleinen Mädchen werden – manchmal bevor sie richtig laufen können – wie erwachsene Barbiepuppen hergerichtet, frisiert, geschminkt, in hohe Schuhe und glamouröse Kleider gesteckt. Schöner sein als die anderen, besser sein als die anderen, den Wettbewerb gewinnen ist das Ziel. Die Mädchen müssen lächeln, tanzen, singen. Oft sind es die Mütter, die ihre Töchter zwischen den Auftritten dressieren, sie zu den Wettbewerben fahren, mitfiebern. »Wir haben gewonnen«, hört man die Mütter voller Stolz rufen, wenn ihre Töchter ein Krönchen aufgesetzt bekommen. Diese Frauen erfahren über ihre Töchter und deren Erfolg Bestätigung. Die Grenzen zwischen Mutter und Tochter verschwimmen, der Sieg der Tochter wird zum eigenen.
    Es ist ein Unterschied, sein Kind in den Bereichen, die es sich selbst ausgesucht hat, zu fördern und auch stolz auf dessen Erfolge zu sein, oder das Kind als Leinwand für eigene Bedürfnisse und Wünsche zu benutzen. Letzteres ist eine Ausbeutung der kindlichen Kapazitäten, die für die eigene Bestätigung genutzt werden. In solchen Fällen stellen Eltern ihre eigenen Bedürfnisse vor die ihres Kindes, oft ohne sich darüber wirklich im Klaren zu sein.
    »Sie will unbedingt an diesen Wettkämpfen teilnehmen und gewinnen«, sagen die Mütter der Little-Miss-Anwärterinnen allen Ernstes in die Kameras. Die sechsjährige Eden Wood, der derzeitige Star dieser fragwürdigen Veranstaltungen, verplappert sich während eines Fernsehinterviews auf die Frage, warum sie an diesen Shows teilnehme: »Weil Mama versprochen hat, mit mir danach zu Disney World zu fahren.« Die Mutter schaut kurz verärgert: »Wo hat sie das denn her?« Vorwürfe, sie lebe ihre Träume auf dem Rücken ihres Kindes aus, wehrt Mrs. Wood ab: »Ich lebe nicht ihr Leben, sondern meines. Mein Leben bestand aus Singen, ich trat in Musicals auf und habe immer auf Bühnen gestanden. An dieses Leben habe ich mich gewöhnt. Bis plötzlich Eden in mein Leben trat und mir völlig neue Perspektiven eröffnete.« Mit diesen Worten bestätigt Edens Mutter die Vorwürfe, ohne sich dessen bewusst zu sein. Eden und ihre Mutter sind eine gefühlte Einheit, die Tochter nur der verlängerte Arm der Mutter, ihr erweitertes Selbst. Diese Fixierung auf die Tochter muss in Enttäuschung enden: Wenn die Tochter weniger erfolgreich ist, spätestens aber wenn sie anfängt, eigene Bedürfnisse zu formulieren, die nicht denen der Mutter entsprechen.
    »Die spinnen doch, die Amis«, ist man versucht zu verurteilen, weil diese Form von kindlicher Vermarktung oder Ausbeutung so offensichtlich ist. Die Realität ist, dass es ehrgeizige Eltern überall gibt. Auch deutsche »Wunderkinder« wie Steffi Graf, Boris Becker oder David Garrett hatten keine »normalen« Kindheiten. Der heutige Stargeiger David Garrett spricht in Interviews offen darüber, wie er aufwuchs: im goldenen Käfig ohne Kontakt zu Gleichaltrigen, die Tage gefüllt mit stundenlangem Geigespielen – weil seine Eltern es so entschieden hatten. David, Boris und Steffi – diese

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