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Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall

Titel: Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Guillermo;Hogan Del Toro
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die wachsende Unruhe um sich herum nicht zu bemerken. Noch nicht.
    BAAMMM!
    Ein kollektives Aufstöhnen ging durch das Abteil. Die Erschütterungen folgten nun immer schneller aufeinander, die Geräusche wurden lauter. Inständig hoffte, ja, betete Nora, dass sie es aus dem Tunnel herausschaffen würden. Genau das hasste sie so an Zügen und U-Bahnen: Man sieht nicht, was der Fahrer sieht. Hat nur verwischte Eindrücke von der vorbeiziehenden Landschaft. Sieht nie, was auf einen zukommt.
    Weitere Erschütterungen. Jetzt glaubte Nora, das Knacken von Knochen zu hören und - jetzt! - ein animalisches Quieken wie von einem Schwein.
    In diesem Moment verlor der Zugführer oder einer der Fahrgäste - wer immer es war, der die Notbremse zog - die Nerven. Das metallische Kreischen erinnerte Nora an Fingernägel, die über eine Schiefertafel kratzen, nur klang das Geräusch sehr viel bedrohlicher.
    Der Zug bremste scharf und geriet ins Schlingern.
    Verzweifelt versuchten die Fahrgäste, sich an den Haltegriffen und Rückenlehnen festzuhalten, doch das Abteil wurde so heftig durchgeschüttelt, dass etliche Leute auf den Boden geschleudert wurden. In diesem Moment öffnete auch Zack die Augen, sah Nora fragend an.
    Sie hörten das Kreischen von Metall, sahen Funken am Fenster vorbeifliegen. Dann, ganz langsam, quälend langsam, kam der Zug zum Stehen. Der Waggon neigte sich schwerfällig auf die rechte Seite.
    Sie waren entgleist.

    Die Deckenlichter flackerten ein letztes Mal auf, dann verloschen sie. Unter den Fahrgästen drohte sich verzweifelte Panik breitzumachen, doch nur wenige Sekunden darauf schaltete sich die Notbeleuchtung ein und tauchte die gespenstische Szenerie in ein schwaches rötliches Licht.
    Nora reagierte blitzschnell. Sie half Zack, der von seinem Sitz gefallen war, auf die Beine, und bahnte sich dann mit ihrer Mutter im Schlepptau einen Weg zum vorderen Teil des Waggons, noch bevor sich die anderen Passagiere wieder berappelt hatten. Vielleicht konnten sie im Licht der Zugscheinwerfer erkennen, was im Tunnel vor sich ging. Aber schnell wurde Nora klar, dass der Weg nach vorne zum Triebwagen hoffnungslos verstellt war. Zu viele Menschen, zu viel Gepäck.
    Sie hängte sich die Waffentasche über die Schulter und scheuchte Zack und ihre Mutter in die entgegengesetzte Richtung. Es kostete sie einiges an Selbstbeherrschung, nicht in Panik auszubrechen, sondern höflich zu warten, bis die Fahrgäste vor ihnen ihr Gepäck eingesammelt hatten.
    In diesem Moment hörten sie die ersten Schreie aus den vorderen Wagen.
    Alle wandten sich um.
    »Los, raus hier!«, rief Nora. Sie griff Zack und ihre Mutter an den Händen und lief mit ihnen zum hinteren Ausgang. Nun war es ihr völlig egal, was die Mitreisenden dachten - sie war für zwei Leben verantwortlich. Und für ihr eigenes.
    Am Ende des Abteils angekommen - wo ein Mann gerade verzweifelt versuchte, die automatische Tür aufzustemmen -, warf Nora einen Blick zurück. Ganz vorne konnte sie über den Köpfen der verängstigten Passagiere eine Bewegung erkennen … Ein dunkler Schatten kroch an der Waggondecke entlang … Ein Schatten, aus dem eine klauenartige Hand nach unten griff.

    Die Vampirjäger der Alten hatten Gus und den Sapphires zwei große schwarze Hummer-Geländewagen zur Verfügung gestellt, mit Panzerplatten, Chromblenden und allem anderen Schnickschnack. Die Blenden waren allerdings jetzt schon zum größten Teil hinüber - um in diesen Tagen durch New York zu kommen, war etwas Blechkontakt unvermeidlich.
    Gus raste die 59th Street hinauf - eigentlich eine Einbahnstraße, aber wen kümmerte das jetzt noch? Ihre Scheinwerfer waren die einzigen Lichter weit und breit. Vasiliy hatte den Beifahrersitz in Beschlag genommen, die Waffentasche zu seinen Füßen, während Setrakian auf der Rückbank saß. Angel und die anderen fuhren im Wagen hinter ihnen.
    Das Radio war eingeschaltet. Der einsame Sportredakteur hatte etwas Musik aufgelegt, wohl um seiner Stimme - oder seiner Blase - Erleichterung zu verschaffen. Aber erst als Gus den Hummer auf den Bürgersteig lenkte, um einigen auf der Straße liegen gebliebenen Autos auszuweichen, wurde Vasiliy bewusst, was sie da gerade hörten: Elton Johns Don’t Let the Sun Go Down on Me . Er schaltete das Gerät aus. »Das finde ich nicht besonders witzig.«
    Kurz darauf hatten sie ihr Ziel erreicht: ein riesiges Gebäude am Rande des Central Park, das wie ein gotischer Turm in den rauchverhangenen Himmel ragte.

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