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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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worden sei.
    Wie Leonardo da Vinci war auch Don Julio ein Mann mit vielen Talenten. Er malte, befasste sich mit Neuspaniens Flora und Fauna, wusste mehr über die Medizin als die meisten Ärzte, zeichnete geographische und astronomische Karten und betätigte sich als Baumeister.
    Sein Ruf auf letzterem Gebiet war so gut, dass der Vizekönig ihm den Auftrag erteilt hatte, ein Entwässerungssystem zu entwickeln, um Mexiko-Stadt vor Überflutungen zu schützen. Da die Stadt auf einer Insel mitten im See Texcoco stand, drohte bei heftigen Regenfällen jedes Jahr Hochwasser, das immer wieder in die Stadt eindrang. Der Tunnel verfolgte den Zweck, das Wasser aus dem See abzuleiten, damit es die Stadt nicht mehr überschwemmen konnte. Es handelte sich um das größte Bauvorhaben in Neu-Mexiko oder sonst irgendwo in der Neuen Welt.
    Doch letztlich sollte es zu einer Tragödie führen.
    Es musste eine glaubhafte Erklärung dafür gefunden werden, warum ich bei der Familie lebte. Ich konnte Don Julio und den Menschen in seiner Umgebung nicht länger weismachen, dass ich ein Indio war. Zu meiner Hautfarbe und meinem Gesichtsschnitt kam erschwerend hinzu, dass ich noch vor meinem zwanzigsten Geburtstag einen starken Bartwuchs entwickelte. Mateo wollte mich überreden, mich zu rasieren, und zwar mit der Begründung, die Damen zögen ein glattes Gesicht vor. Aber ich behielt den Bart. Obwohl sauber gestutzte Bärte, insbesondere solche, die am Kinn spitz zuliefen, schwer in Mode waren, ließ ich meinen Bart einfach wuchern, um mein Gesicht zu verbergen. Außerdem glaubte ich, dadurch älter und weiser zu wirken.
    Juana, Don Julios Nichte, hänselte mich wegen des Bartes und fragte, wegen welches Verbrechens - oder vor welcher Frau - ich mich denn verstecken müsse.
    Don Julio hingegen verlor kein Wort über den Bart und erwähnte auch nie den Mestizenjungen aus Veracruz, der wegen mehrerer Gräueltaten gesucht wurde. Er und Mateo schwiegen zu diesem Thema, wie sie es von Anfang an getan hatten.
    Ich hatte schon immer vermutet, dass Don Julio mehr wusste, als er sich anmerken ließ. Als ich einmal in seine Bibliothek im Haupthaus der Hacienda gestürmt kam, um mit ihm zu sprechen, stand er am Kamin und betrachtete ein Stück Papier. Während ich mich näherte, warf er das Papier ins Feuer. Es verbrannte, doch ich konnte gerade noch lesen, dass es sich um einen alten Steckbrief handelte, auf dem ein Mestizen namens Cristo el Bastardo zur Fahndung ausgeschrieben war. Zum Glück war Cristo die Abkürzung für Cristóbal, und das war bei Spaniern und Indios ein beliebter Name.
    Wie ich schon sagte, hatte mich Don Julio wahrscheinlich deshalb in seine Familie aufgenommen, weil er ebenfalls von zweifelhafter Herkunft war. Als ich eines Tages beim Fechtunterricht mit Mateo um mein Leben kämpfte, fragte ich ihn, warum manche Don Julio als Juden bezeichneten.
    »Don Julio stammt aus einer Familie portugiesischer Juden. Um in Portugal bleiben zu können, traten viele Juden kurz nach der Entdeckung der Neuen Welt zum Christentum über. Als der Druck auf sie wuchs, siedelten viele conversos und auch solche, die im innersten ihres Herzens Juden geblieben waren - die so genannten Marranen -, nach Neuspanien über. Don Julio und viele seiner Angehörigen kamen vor über zwanzig Jahren hierher. Häufig werden conversos verdächtigt, weiterhin heimlich dem Judentum anzuhängen. Doch selbst wenn sie wirklich Christen geworden sind, sind sie in den Augen der meisten Menschen unreinen Blutes, ganz gleich, wie lange der Übertritt zum Christentum schon zurückliegt.«
    Bruder Antonio hatte mir vom Schicksal der Juden und Mauren in Spanien erzählt. Etwa um dieselbe Zeit, als Kolumbus von Spanien aus in See stach, um die Neue Welt zu entdecken, hatten König Ferdinand und Königin Isabella den Juden befohlen, Spanien zu verlassen.
    »Vor der Verbannung«, sagte Mateo, »waren die Juden und Mauren nicht nur die reichsten Kaufleute, sondern verfügten auf der iberischen Halbinsel auch über die meiste Bildung. Dann jedoch wurden alle Juden und Mauren in Spanien und Portugal gezwungen, entweder zum Christentum überzutreten oder auszuwandern. Wenn sie sich zum Gehen entschieden, durften sie ihr Gold und ihre Juwelen nicht mitnehmen. Obwohl alle meine Vorfahren Christen waren, kann ich die Juden und Mauren verstehen. Schließlich waren sie wegen ihres Glaubens von Tod oder Exil bedroht.«
    Da auch ich nicht reinblütig war, fühlte ich mich meinen

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