Das Blut der Azteken
toter Ehrenmann?«
Der lépero in mir fällte die Entscheidung. »Gut, dann zeig mir die Tricks.«
»Du hast links genauso viel - oder wenig - Kraft und Geschicklichkeit wie rechts. Schwertkämpfer bezeichnen die linke Hand als die Pranke des Teufels, und das mit gutem Grund. Die Kirche lehnt es ab, dass man die linke Hand benutzt, und die meisten Männer lernen, nur mit der rechten zu kämpfen, auch wenn sie mit der linken wendiger sind. Aber da du kein Ehrenmann bist, kannst du auch mit der linken Hand kämpfen. Allerdings darfst du nicht vergessen, dass allein das Kämpfen mit der linken Hand dir bei einem überlegenen Gegner keinen großen Vorteil verschafft - außer es gelingt dir, ihn zu überrumpeln.
Ich werde dir eine Finte zeigen, die du in äußersten Notfällen einsetzen kannst, zum Beispiel, wenn dir klar wird, dass dein Gegner dich gleich in Stücke haut. Anfangs kämpfst du mit rechts und hältst in der linken Hand den Dolch. Dann trittst du aus dem Kreis heraus, lässt den Dolch plötzlich fallen und nimmst das Schwert in die linke Hand, während du in den Kreis zurückkehrst. Allerdings heißt das, dass du für einen Sekundenbruchteil wehrlos bist, was es deinem Widersacher ermöglicht, dir das Herz zu durchstoßen. Also musst du den Hieb abwehren.«
»Und wie soll ich das tun?«
»Mit deinem Schild.«
»Welchem Schild?«
Mateo zog einen Ärmel hoch. An seinem Arm war eine kleine Bronzeplatte befestigt. »Mit diesem gepanzerten Arm stößt du sein Schwert weg.«
Sich bei einem Duell zu panzern war in höchstem Maße unehrenhaft, und während eines Kampfes die Hand zu wechseln galt als ungehörig. Aber ich wollte lieber ein lebendiger Betrüger sein als ein toter Ehrenmann.
4
Das erste Mal sah ich Isabella, die Gattin des Don, als sie vor dem Haupthaus der Hacienda aus einer Kutsche stieg. Unter ihrem Kleid, eine Wolke aus Seide und Unterröcken, trug sie ein mit Edelsteinen besetztes Mieder aus chinesischem Satin. Außerdem trug sie Perlen um den Hals und an beiden Handgelenken. Ihr rotes, schulterlanges Haar fiel unterhalb der Ohren lockig herab.
Ich hatte schon viele schöne Frauen gesehen - farbenfroh gekleidetete Mulattinnen auf den Straßen von Veracruz und dunkeläugige Indiofrauen in abgelegenen Dörfern -, doch keine Spanierin, der ich je begegnet war, konnte es mit Isabella aufnehmen.
Ich stand neben Don Julio, als er ihr aus der Kutsche half, und bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Hätte ein Diener nicht einen Teppich auf den staubigen Boden gebreitet, um ihre Schuhe zu schützen, ich hätte mich selbst niedergeworfen, damit sie über mich hinwegschreiten konnte. Als mir ihr Parfüm in die Nase stieg, schwindelte mir.
Mateo und ich hatten die Hände an die Schwerter gelegt und hielten uns kerzengerade. Wir hatten uns in Schale geworfen, als stünden wir Spalier für eine Königin.
Don Julio bot Isabella den Arm und hielt auf dem Weg ins Haus vor uns inne.
»Darf ich dir meinen jungen Vetter Cristóbal und meinen Gehilfen Mateo Rosas de Oquendo verstellen.«
Isabellas grüne Augen unterzogen Mateo und mich einer gründlichen Musterung, bevor sie sich wieder an Don Julio wandte.
»Noch ein armer Verwandter, den wir durchfüttern müssen, und ein Gauner, vor dem wir das Tafelsilber in Sicherheit bringen sollten.« So lernte ich Doña Isabella kennen.
Seit ich hierher gebracht worden war, um ein Edelmann zu werden, war das Haus ein Hort der Ruhe gewesen. Ich musste mich zwar Don Julios geistigen Herausforderungen stellen und ab und zu wegen meiner Ungeschicklichkeit einen Fluch oder Tritt von Mateo erdulden, aber da ich genug zu essen hatte und in einem richtigen Bett schlafen durfte, betete ich jede Nacht zum lieben Gott darum, er möge mich nicht auf die Straßen von Veracruz zurückschicken - oder am Galgen enden lassen.
Nach Isabellas Ankunft jedoch verwandelte sich das Haus von einem Hort der Ruhe in ein tosendes Inferno. Sie beharrte darauf, immer im Mittelpunkt zu stehen, schikanierte die Dienstboten, wickelte Don Julio zuckersüß um den Finger, zeigte der Schwester, der Nichte und dem ›Vetter‹ des Don die kalte Schulter und verhielt sich gegenüber Mateo ausgesprochen feindselig. Letzteren behandelte sie, als könne er jeden Augenblick mit ihren Juwelen durchbrennen. Außerdem nannte sie ihn nie bei seinem Namen, sondern bezeichnete ihn nur als ›dieser Pícaro‹.
Bald stellten wir fest, dass es sich nicht um einen Freundschaftsbesuch handelte. Einem
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