Das Blut der Azteken
gegen das Verbot, freitags Fleisch zu essen, natürlich aufmerken ließ. Die arme Juana hätte auf ihren schwachen Beinen nicht tanzen können, und wenn der Teufel selbst sie in den Armen gehalten hätte. Aber ich hielt den Mund.
Die nächste Zeugin war ebenfalls maskiert, allerdings elegant gekleidet. Ich erkannte sie sofort.
Isabella war gekommen, um den letzten Nagel in meinen Sarg zu schlagen. Aus ihrem gepflegten Äußeren schloss ich, dass ihr die Kerkerhaft erspart geblieben war, doch damit hatte ich auch gerechnet.
Als ich ihrer Aussage lauschte, zuckte ich innerlich zusammen, denn nicht alles daran war erlogen.
»Nennt Ihr diese Metallröhre ein Fernrohr?«, erkundigte sich einer der Richter.
»So hat es Don Julio bezeichnet. Ich kenne mich in diesen Dingen natürlich nicht aus. Meiner Ansicht nach hat dieser abscheuliche Mensch«, sie wies auf mich, »das widerwärtige Gerät aus Spanien mitgebracht und es an den Inspektoren der Inquisition vorbeigeschmuggelt, die nach solchen Gotteslästerlichkeiten suchen.«
»Und Ihr sagtet, dieses Instrument diene dazu, den Himmel zu erkunden?«
»Ja, und noch zu vielen anderen bösen Dingen, von denen ich selbstverständlich nichts ahne.«
Wie konnte sie zu etwas aussagen, von dem sie keine Kenntnis hatte? Handelte es sich etwa um eine himmlische Eingebung? Ihren Worten entnahm ich, dass die Inquisitoren das Gerät nicht gefunden hatten. Vermutlich hatte Don Julio, aus Angst, wegen des Tunnels in Schwierigkeiten zu geraten, seine verbotenen Bücher und das Fernrohr auf der Hacienda versteckt.
Isabella wurde nach jüdischen Ritualen befragt, die sie aus gutem Grund abstritt, da sie sich sonst selbst belastet hätte. Allerdings gelang es ihr, Don Julio einen weiteren Schlag zu versetzen.
»Er hat mich gezwungen, bei ihm zu liegen, wenn ich meine monatliche Blutung hatte.«
Während der Regelblutungen mit einer Frau zu schlafen war Gotteslästerung, da zu dieser Zeit keine Empfängnis möglich war. Man glaubte, dass Juden und Mauren auf diese Weise vorgingen, um keine Kinder zu zeugen, die dann als Christen aufwachsen würden.
»Ihr habt keine Kinder, Señora?« »Richtig, doch das ist nicht meine Schuld. Mein Gatte war ein grausamer Mann und konnte schrecklich wütend werden. Ich lebte in ständiger Angst vor ihm.«
Ich musste an mich halten, um nicht aufzuspringen und ihr an die Gurgel zu gehen. Wenn es je einen Mann gegeben hatte, der die Sanftmut in Person war und seine Familie und seine Freunde stets gütig behandelte, dann war das der Don.
Man zeigte Isabella ein Buch.
»Ist das das Buch, das Ihr den familiares übergeben habt?«
»Ja, ich hatte es noch nie zuvor gesehen. Doch nach der Verhaftung meines Mannes stieß ich in der Bibliothek darauf. Er hatte es versteckt.«
»Dieses Buch handelt von den Ritualen des Judentums«, sagte der Richter.
»Davon weiß ich nichts. Ich bin eine gute Christin. Das Buch gehörte meinem Mann. Gewiss hat er es benutzt, wenn er und seine Familie, auch dieser Mensch«, ich konnte ihren gehässigen Blick durch die Maske förmlich spüren, »ihre dunklen Riten praktizierten.«
Diesmal konnte ich mich nicht mehr bremsen.
»Das ist eine Lüge. Das Buch gehört nicht dem Don, und ich kann es beweisen.« Ich deutete darauf. »Der Don kennzeichnet seine Bücher am Rand mit seinen Initialen, wie es viele Besitzer von Büchern tun. Dieses Buch hier trägt keine Kennzeichen. Es ist ein falscher Beweis.«
Sie knebelten mich.
Isabella lieferte Don Julio und mich mit ihren Lügen absichtlich ans Messer. Sie wurde ausschließlich von Geldgier und Eitelkeit bestimmt. Da die Inquisition das Vermögen von Verurteilten einzog, war es nur allzu offensichtlich, dass man eine Abmachung mit Isabella getroffen hatte, sie werde als Gegenleistung für eine Aussage ihren Besitz zurückerhalten. Vielleicht wurde sie auch von Ramón de Alva unterstützt, der auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe schlug: Er wurde den Ehemann seiner Geliebten los und konnte gleichzeitig seine Fehler beim Tunnelbau vertuschen.
Der dritte Zeuge war ein Mann, den ich nicht kannte. Er sagte aus, er habe für Don Julio am Tunnel gearbeitet. Don Julio und ich hätten ihn verhöhnt, als er vorgeschlagen habe, den Tunnel dem heiligen Pablo zu widmen. Außerdem habe er beobachtet, wie wir einen Gegenstand, einen sechszackigen Stern, in den Tunnel getragen hätten. Damals habe er den Sinn dieses Gegenstandes nicht gekannt, doch inzwischen habe ihm ein
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