Das Blut der Azteken
ihnen zu sprechen?
Wie sollen die Zeugen rechtzeitig hier erscheinen, wenn die Verhandlung sofort beginnt? Und wie soll ich mich verteidigen, wenn mein Anwalt eine Hure ist, die vom Teufel bezahlt wird?«
Ich weiß nicht, wie lange ich mich mit der geschlossenen Tür unterhielt. Wahrscheinlich war mein Anwalt schon nach dem ersten Satz gegangen. Doch ich legte beharrlich, logisch und vernünftig, der Tür meine Gründe dar. Sie antwortete mir nicht.
Offenbar hatten die Inquisitoren den Instinkt von Fledermäusen, denn der Raum, in dem das Tribunal zusammentrat, war genauso schlecht beleuchtet wie der restliche Kerker. Ein halbes Dutzend Männer, die Gesichter von Kapuzen verhüllt, erwartete mich. Ich hatte keine Ahnung, welche Aufgabe sie erfüllten. Die übrigen Anwesenden waren zwei Inquisitoren, ein Ankläger und noch einige andere Personen, deren Rolle ich nicht kannte. Vielleicht handelte es sich um Richter. Jedes gesprochene Wort wurde von Schreibern festgehalten.
Man kettete mich an den Stuhl, auf dem ich saß. Mein Anwalt thronte ein paar Meter entfernt von mir, als litte ich an einer ansteckenden Krankheit. Möglicherweise lag es an meinem Geruch. Offenbar war er nicht zufrieden mit mir. Ich vermutete, dass er dem Tribunal für gewöhnlich mitteilen konnte, dass es ihm gelungen sei, den Angeklagten zu einem Geständnis zu bewegen. Also schadete meine starrsinnige Haltung gewiss seinem Ruf.
Ich hörte, wie der Ankläger die Vorwürfe verlas, doch ich verstand kein Wort. Es handelte sich um vage Andeutungen, ich sei ein Ketzer und ein heimlicher Jude, der sich der Gotteslästerung und der Teufelsanbetung schuldig gemacht habe. Dass ich ein verderbter Mensch sei, der verbotene Bücher verkaufte und zwei anstößige Theaterstücke aufgeführt hatte, waren die einzigen Anklagepunkte, denen ich zustimmen konnte.
Mein Anwalt erhob sich und verkündete dem Tribunal, er habe mich pflichtgemäß dreimal aufgefordert, meine Schuld zu gestehen, doch ich hätte mich geweigert. »Auch auf der Folterbank konnten wir ihn nicht überzeugen. Nun liegt sein Schicksal in Gottes Hand.«
»Ich sehe Gott nicht in diesem Raum«, entgegnete ich. »Nur Männer, die glauben, ihm zu dienen, und dabei den Namen des Herrn mit Füßen treten.«
Allerdings wurde meine Anmerkung, anders als im Theater, nicht mit Applaus, sondern mit einem Stirnrunzeln eines der Richter erwidert.
»Wenn der Gefangene noch einmal ohne Erlaubnis das Wort ergreift, wird er geknebelt«, wies er den Wärter an. Ich hielt den Mund.
Die Beweisaufnahme gegen mich begann mit den Aussagen der Inquisitoren, die mich zu den verschiedensten Themen wie Kirche, Gott, Christus, Judentum, Satan und Hexen befragt hatten. Die Fragen hatten mich an das erinnert, was Bruder Antonio mir über den Hexenhammer erzählt hatte: Es gab keine richtigen Antworten, und jedes Wort wurde einem im Mund herumgedreht.
»Er wurde gefragt, wie viele Hörner der Satan hat«, gab einer der Geistlichen zu Protokoll. »Und er erwiderte, das wisse er nicht. Dabei hat der Satan, wie allgemein bekannt ist, zwei Hörner.«
»Hätte ich das geantwortet, dann hättet Ihr mich beschuldigt, ihm persönlich begegnet zu sein!«, rief ich.
»Der Knebel«, erklang der Befehl.
»Ich bitte Euch um Entschuldigung, Monseñor. Bitte. Ich verspreche zu schweigen.«
Ich war dem Knebel noch einmal entgangen.
Die erste Zeugin wurde aufgerufen. Obwohl sie eine Maske trug, erkannte ich an ihrer Stimme, dass es sich um eine Bedienstete von Don Julio handelte. Sie war eine verwirrte Alte, die hinter jeder Ecke Teufel und Dämonen witterte. Wir alle wussten, dass sie harmlos war. Allerdings litt sie an jener seltsamen Form von Wahnsinn, die das Überleben der Inquisition garantierte.
»Ich habe sie tanzen gesehen«, verkündete sie. »Den da« - damit war ich gemeint - »den Don, seine Schwester und seine Nichte. Sie haben abwechselnd mit dem Teufel getanzt.«
Der Richter erkundigte sich nach den jüdischen Bräuchen im Haus und fragte, ob wir samstags den Sabbat geachtet und freitags Fleisch gegessen hätten. Die alte Frau bestätigte, freitags habe es Fleisch gegeben, natürlich eine Lüge. Als er weiter nachhakte, berichtete sie von unserem Treiben mit dem Teufel. Ganz offensichtlich war sie nicht bei klarem Verstand und plapperte etwas von Teufelsanbetung, obwohl es eigentlich um jüdische Riten ging.
Vermutlich hielten auch die Richter nicht sehr viel von ihrem Geschwätz, obwohl sie der Verstoß
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