Das Blut der Azteken
mich hoch, bis meine Füße nicht mehr den Boden berührten, und hängten Gewichte daran. Man zog den Haken hoch, bis ich in der Luft hing, ließ mich dann herunterfallen und hielt mich ruckartig an, kurz bevor meine Füße auf dem Boden aufkamen. Ich schrie auf, als meine Arme und Beine von den Gewichten fast aus den Gelenken gerissen wurden.
Mein Anwalt seufzte auf. »Wollt Ihr mir jetzt von Don Julio und den jüdischen Ritualen, die er praktiziert, erzählen?«
Ich weiß nicht mehr, was ich ihm antwortete, doch es machte ihn zur Freude der Folterknechte ziemlich wütend. Kein Folterer hat es gern, wenn das Opfer sich zu rasch überzeugen lässt, da er so nicht Gelegenheit hat, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Ich gab kein Wort mehr von mir - weder ein Geständnis noch weitere Schmähungen -, und sie mühten sich mit mir ab, bis sie völlig erschöpft waren.
Ich hätte ihnen sagen sollen, dass sie nur ihre Zeit vergeudeten, indem sie mich folterten. Als sie begannen, mich mit Fragen zu überhäufen, hatten sie jedes menschliche Gefühl schon aus mir herausgeprügelt. Ich sabberte und lachte vor mich hin wie ein Wahnsinniger, als sie mich bestürmten, denn ich war vor Schmerzen so geschwächt, dass ich nicht mehr in der Lage war, zu antworten oder sie zu beleidigen.
Die Wand zwischen meiner Folterkammer und der nächsten wies einige breite Risse auf. Ich hörte eine Frauenstimme wimmern und drehte den Kopf, um durch die Ritze spähen zu können. Der Anblick verschlug mir den Atem.
Juana war nackt auf eine Folterbank gespannt. Am mageren Körper des armen Mädchens standen alle Knochen hervor. Zwei Mönche untersuchten sie, und ich konnte sehen, dass sie ihr die Beine gespreizt hatten und mit einem Instrument nachprüften, ob sie noch Jungfrau war. Ich erinnerte mich an Bruder Antonios Worte: Wenn das Jungfernhäutchen einer unverheirateten Frau zerrissen war, beschuldigte man sie der Unzucht mit dem Teufel. War es intakt, warf man ihr dasselbe Verbrechen vor, und zwar mit der Begründung, der Teufel habe ihre Jungfräulichkeit durch schwarze Magie wiederhergestellt.
Aus den Tiefen meiner Seele stieg Wut in mir auf, und ich erwachte wieder zum Leben. Ich brüllte unflätige Beschimpfungen und wehrte mich gegen den Knebel, den sie mir in den Mund drücken wollten. Erst als sie mich bewusstlos schlugen, verstummte ich.
26
Wieder Dunkelheit, wieder das Tropfen von der Decke. Weitere Folterungen und Fragen, die unbeantwortet blieben. Inzwischen war ich so schwach, dass sie mich aus meiner Zelle und den Flur hinunterschleppen mussten, wo die Folterbank mich erwartete.
Mittlerweile ahnte mein Körper die Schmerzen so gut voraus, dass ich schon aufschrie, bevor sie mich berührten. Ich weiß nicht mehr, wie ich sie beschimpfte, doch da sie mich weiter folterten, waren sie mit meinen Äußerungen offenbar nicht zufrieden. In den Straßen von Veracruz hatte ich einen reichhaltigen Wortschatz aufgeschnappt, und ich geizte nicht mit Bemerkungen über die Mütter meines Anwalts und die der beiden Priester.
Ich legte Unmengen von Geständnissen ab. Jeden Tag gab ich mehr zu, schrie ihnen meine Sünden entgegen und flehte, auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden, damit ich nicht mehr frieren müsse. Allerdings gefielen ihnen diese Geständnisse nicht, da ich niemals den Don oder seine Familie eines Verbrechens bezichtigte.
Dann hörten sie plötzlich auf. Ich wurde nicht mehr aus meiner Zelle geholt und auch nicht mehr gefoltert. Inzwischen hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Doch das Leben geht auch in den schlimmsten Notlagen weiter, und bald kehrten meine Empfindungen so weit zurück, dass ich spürte, wo es mir überall wehtat. Ich hatte offene Wunden am ganzen Körper und außerdem wunde Stellen von der ständigen Feuchtigkeit.
Eines Tages erschien der Mann, der sich mein Anwalt nannte, wieder bei mir. Er kam nach einer Mahlzeit, die - wie ich aus dem Fehlen der Tortilla geschlossen hatte - offenbar das Frühstück gewesen war.
»Heute findet Eure Verhandlung vor dem Tribunal statt. In wenigen Minuten wird man Euch holen. Habt Ihr Zeugen, die für Euch sprechen?«
Es dauerte eine Weile, bis ich ihm antworten konnte. Nicht weil ich auf den Mund gefallen gewesen wäre, sondern weil ich nichts Falsches sagen wollte.
»Wie kann ich wissen, wen ich benennen soll, solange ich die Anklagepunkte nicht kenne? Wie soll ich mich an die Zeugen wenden, wenn ich die Zelle nicht verlassen darf, um mit
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