Das Blut der Azteken
es ein Drama jemals sein könnte. Und das Blut ist echt. Es ist ein Albtraum auf Erden.«
27
Ein Autodafe war nicht nur eine Ketzerverbrennung, sondern mitunter ein großes Spektakel, bei dem verschiedene Übeltäter bestraft wurden. Alle in meinem Zellenblock sollten beim Ketzergericht für ihre Sünden büßen, doch auf dem Scheiterhaufen sterben würde keiner von ihnen.
Mateo hatte mich gewarnt, keinem meiner Mitgefangenen über den Weg zu trauen. Denn wer nicht bereits für die Inquisition Spitzeldienste verrichtete, hoffte vielleicht, seine Strafe durch Spionieren zu mindern.
Nach ein paar Tagen erhielt ich Besuch von meinem Anwalt. Er setzte mich von der Strafe in Kenntnis, von der ich bereits durch Mateo wusste. Als ich hörte, dass mir der Scheiterhaufen erspart bleiben würde, spiegelte ich Erstaunen vor und fragte, in der Hoffnung, nicht reumütig zu wirken, warum ich verschont worden sei.
»Die Wege des Herrn sind geheimnisvoll«, erwiderte mein Anwalt.
In einer Ecke der Alameda waren die Scheiterhaufen errichtet worden. Daneben erhob sich eine hölzerne Tribüne.
Als der schicksalhafte Tag gekommen war, befahlen uns die Geistlichen, Hemden und Hosen aus derber, gelb gefärbter Baumwolle anzuziehen, auf die rote Flammen, Teufel und Kreuze aufgedruckt waren. Anschließend führte man uns nach draußen und setzte uns auf Esel, und zwar mit heruntergestreiften Hemden, sodass unsere Oberkörper - selbst die der beiden weiblichen Verurteilten - nackt waren.
An der Spitze des Zuges schritten Trommler, Hornbläser und Ausrufer. Ihnen folgten in Sänften die Würdenträger der Inquisition in ihren besten Gewändern und die familiares hoch zu Ross. Sie trugen ritterliche Tracht und Rüstungen, als wären sie die edelsten Recken im ganzen Land.
Die Balkone der Häuser auf unserem Weg waren mit bunten Stoffen und Fahnen geschmückt, die die Wappen der Hauseigentümer zeigten. Um ihren Reichtum zur Schau zu stellen, hatten die Leute Kerzenleuchter und Gefäße aus reinem Silber und Gold auf den Brüstungen aufgebaut. Ich wusste nicht, welchen Zweck dieser Prunk verfolgte. Mein einziger Besitz auf dieser Welt war das Kreuz gewesen, das meine Mutter mir als kleines Kind um den Hals gehängt hatte. Nun war auch das fort. Mein Anwalt hatte es an sich genommen.
Wir in unserer Sträflingstracht waren die Letzten im Zug. Bald wurde mir klar, warum man unsere Oberkörper entblößt hatte, denn die Leute am Straßenrand bewarfen uns mit Steinen und verfaultem Gemüse, was auf nackter Haut viel mehr schmerzte, als wenn wir bekleidet gewesen wären.
Jeder von uns hatte eine grüne Kerze in der Hand, ein weiteres Zeichen dafür, dass es der Inquisition gelungen war, die Teufel in uns zu besiegen, die uns zur Sünde angestiftet hatten. Zu guter Letzt kam ein Karren, auf dem Don Julio, Inez und Juana standen. Als ich bei ihrem Anblick weinte, verspottete mich ein familiar als Feigling, weil er annahm, dass meine Tränen meinem eigenen Schicksal galten.
»Hör auf zu weinen«, zischte Mateo. »Der Don verdient es, dass ein Mann ihm wegen seines Mutes die Ehre erweist, nicht dass Weiber seinetwegen heulen. Wenn er dich ansieht, zeige ihm mit einem Blick, dass du ihn achtest und respektierst.«
Die Worte nützten nichts. Ich weinte um den Don, um seine überängstliche Schwester, die endlich Mut gefasst hatte, und um die zerbrechliche Kindfrau, die seine Nichte war.
Am Hinrichtungsplatz wurden diejenigen von uns, die ausgepeitscht werden sollten, an Pfosten gebunden. Während man mich fesselte, blicke ich auf und erkannte das Wappen von Don Diego Vélez an einem Balkon, auf dem einige Personen standen. Ramón und Luis, die beiden Meuchelmörder, waren auch dabei. Dann bewegte sich etwas hinter Luis, und ich sah auf einmal in Elénas Augen. Eine Weile starrte sie mich an. Bevor der erste Peitschenhieb auf meinen Rücken niederging, entfernte sie sich und verschwand im Haus.
Nun wusste ich, wer meine Retterin war. Ich hatte schon vermutet, dass sie mich freigekauft hatte, doch nun war ich meiner Sache sicher. Sie war nicht gekommen, um mich leiden zu sehen, sondern um sich zu vergewissern, dass man sie nicht betrogen hatte, indem man mich dennoch auf den Scheiterhaufen band. Vielleicht wollte sie mir auf diese Weise mitteilen, dass sie sich beim Sohn des Steins für die Aufführung ihrer comedia bedankte.
Obwohl es ein Zeichen von Männlichkeit war, während der Auspeitschung nicht die Besinnung zu verlieren, betete ich
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