Das Blut der Azteken
entweder zum christlichen Glauben übertreten oder ausreisen mussten. Zu der Zeit, als Christóbal Colón, der große Entdecker der Neuen Welt, von Spanien aus in See stach, wurden Tausende von Juden aus Spanien ins islamische Land Nordafrika vertrieben.«
»Torquemada, unsere Generalinquisitor, führte die Folter und die Beschlagnahmung des Vermögens der Beschuldigten als Bekehrungsmethoden ein«, ergänzte Bruder Antonio. »In anderen Worten, Zehntausende von Juden verloren alles an Kirche und Krone, ganz gleich ob sie nun konvertierten oder nicht.«
Bruder Juan warf Antonio einen finsteren Blick zu und fuhr fort. »Auch die Anhänger Mohammeds wurden gezwungen zu konvertieren oder Spanien zu verlassen.«
»In Verletzung der Kapitulationsvereinbarung«, fügte Bruder Antonio hinzu. »Jedenfalls wurde ihr Vermögen gleichermaßen konfisziert.«
»Seitdem«, beharrte Bruder Juan, »gab es eine neue Bedrohung, nämlich falsche Konvertiten, Juden -die so genannten Marranen -und Mauren also, die nur vorgaben, dem christlichen Glauben anzuhängen. Um diese Betrüger daran zu hindern, ihre üblen Gedanken und satanischen Riten zu verbreiten, befahl die Kirche der Heiligen Inquisition, die Übeltäter ausfindig zu machen…«
»… durch Folter…«
»… und sie zu bestrafen.«
»Indem man sie vor den Augen der ganzen Stadt auf dem Scheiterhaufen verbrannte«, stellte Bruder Antonio fest.
»Cristo, mein Sohn«, meinte Bruder Juan mit einem schicksalsergebenen Seufzer, »Autodafé bedeutet Glaubensakt, und ein solcher ist es auch. Wer wirklich bereut und seine Schuld beichtet, empfindet bei der Bestrafung fast keine Schmerzen.«
Bruder Antonio schnaubte höhnisch. »Die Opfer werden an einen Pfahl gebunden, und dann wird Holz um sie herum aufgeschichtet. Wenn sie bereuen, erdrosselt man sie, bevor man sie verbrennt. Die Inquisition besteht ausschließlich aus Männern, die noch nie mit einer Frau geschlafen haben oder das zumindest nicht dürfen. Sie führen einen heiligen Krieg gegen Frauen«, fuhr er fort und unterbrach Bruder Juans Protest mit einer Handbewegung. »Das tun sie, indem sie gegen angebliche Teufelsanbetung und Hexerei vorgehen. Wenn eine Frau verhaftet wird, halten sich die Inquisitoren an ein Buch mit dem Titel Hexenhammer, aus dem man angeblich lernt, wie man Hexen erkennt. Sie verschleppen die Frauen in ihre Kerker, ziehen sie aus und untersuchen sie auf Zeichen des Teufels.
Die Inquisitoren beginnen mit einfachen Fragen aus dem Hexenhammer. Allerdings gibt es keine richtigen Antworten darauf, und so hat die Gefangene keine Möglichkeit, die Vorwürfe zu entkräften, selbst wenn sie die Wahrheit sagt. Wird die Frau gefragt, ob sie an Hexen glaubt, kann sie mit Ja antworten. Dann heißt es, sie habe Kenntnisse von Hexerei und sei deshalb selbst eine Hexe. Streitet sie es jedoch ab, beschuldigt man sie, im Auftrag des Teufels gelogen zu haben, und foltert sie ebenfalls.«
»Sie tun nur Gottes Werk«, wandte Bruder Juan ein, doch er schien nicht sehr überzeugt.
»Sie sind Teufel«, meinte Bruder Antonio zu mir. »Und die Juden sind bei ihnen zur fixen Idee geworden. Torquemada selbst stammte aus einer Familie von Konvertiten, und als König Felipe II. dem Papst den Krieg erklärte, erinnerte ihn dieser daran, dass auch die spanischen Könige Abkömmlinge von Konvertiten seien.«
Der arme Bruder Juan bekreuzigte sich und flehte Gott laut um Vergebung an.
Schweigend und in Gedanken versunken setzten wir unseren Weg fort. Ich versuchte mir auszumalen, wie es sein mochte, bei lebendigem Leibe verbrannt oder als Frau von wahnwitzigen Mönchen sexuell misshandelt zu werden. Doch beides war zu schrecklich, um es sich vorzustellen.
Dann erzählte Bruder Antonio eine weitere Geschichte von der Inquisition.
»Es war einmal ein junger Priester, dem - obwohl er nur ein criollo war - eine glänzende Zukunft in der Kirche bevorstand. Doch da er ein wissbegieriger Mensch war, stellte er zu viele neugierige Fragen und studierte zu viele unerwünschte Schriftsteller - insbesondere die Werke des großen Carranza, des Erzbischofs von Toledo, der die Ansicht vertrat, das einfache Volk solle die Bibel auf Spanisch lesen, damit es das Wort Gottes verstünde, ans tatt es sich von den Priestern auf Latein rezitieren zu lassen.
Der Priester verteidigte Carranzas Auffassung, selbst nachdem der Erzbischof von der Inquisition festgenommen worden war. Bald erschien die Inquisition auch vor seiner Tür. Er wurde in
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