Das Blut der Azteken
eine Hexentitte?«, erkundigte ich mich deshalb.
Bruder Juan bekreuzigte sich und murmelte ein Gebet, während Bruder Antonio mir einen finsteren Blick zuwarf. »Deine Neugier wird dich noch mal in Schwierigkeiten bringen«, schalt er.
»Ich fürchte, das hat sie schon«, erwiderte ich, schwieg aber sofort, als ich die ärgerliche Miene des Bruders bemerkte.
»Du hast noch viel zu lernen«, fuhr Bruder Antonio fort, »damit du dich vor denen schützen kannst, die dich im Laufe deines Lebens bedrohen werden. Es gibt Böses auf der Welt, und gute Menschen müssen dagegen ankämpfen. Leider begeht die Institution, die die Kirche für den Krieg gegen das Böse eingerichtet hat, im Namen unseres Herrn unaussprechliche Gräueltaten.«
»Antonio, du solltest nicht…«, begann Bruder Juan.
»Sei still. Anders als du halte ich nichts von Unwissenheit. Das Thema wurde in Gegenwart des Jungen erwähnt, und er sollte wissen, wie die Inquisition vorgeht, damit er auf dieser Welt überleben kann.« Sein Ton deutete an, dass mein Überleben durchaus keine Selbstverständlichkeit war.
»Du wirst erkennen, mein junger Freund«, fuhr er fort, nachdem er eine Weile überlegt hatte, »dass sich die Geschlechtsorgane von Frauen von den unseren unterscheiden.«
Fast hätte ich laut aufgelacht. Da kleine Indianermädchen nackt auf der Straße herumliefen, hätte man blind sein müssen, um nicht zu bemerken, dass sie keinen Penis hatten. Was hätte Bruder Antonio wohl zu meiner Bekanntschaft mit der Gattin des Alcalde gesagt?
Wieder zögerte der Bruder nachdenklich.
»Wenn die Heilige Inquisition jemanden in ihren Kerker sperrt, wird der Beschuldigte zuerst nackt ausgezogen und gründlich auf Zeichen des Teufels untersucht.«
»Was sind denn die Zeichen des Teufels?«, fragte ich.
»Damit der Teufel die Seinen erkennt«, erwiderte Bruder Juan, »versieht er sie mit seinem Zeichen, etwa in Form eines Muttermals, einer Narbe oder einer Hautfalte…«
Als Bruder Antonio höhnisch schnaubte, sah Juan ihn gequält an.
»Du darfst die Inquisition nicht verspotten«, sagte er. »Deine gotteslästerliche Einstellung ist allgemein bekannt, und eines Tages wird man dir einen Strick daraus drehen.«
»Ich verantworte mich jeden Tag vor Gott«, protestierte Bruder Antonio. »Und ich weiß nicht, woran man die Zeichen des Teufels erkennen sollte. Was diesen Dreckskerl Osorio angeht«, sprach er mit zitternder Stimme weit er, »hat er seine Freude daran, bei seiner Untersuchung nackten Frauen zwischen die Beine zu sehen und sich einem Körperteil zu widmen, das bei liebevoller Behandlung ein Hort der Freude ist. Und der Narr glaubt, dass es sich hierbei um eine Brust handelt, an der der Satan saugt.«
Ich schnappte nach Luft und erinnerte mich an die Stelle zwischen den Beinen der Gattin des Alcalde. »Und was passiert, wenn ein Mann diese Stelle berührt. Stirbt er dann?«, stammelte ich.
»Er wird vom Teufel besessen!«, rief Bruder Juan aus.
»Unsinn«, schimpfte Bruder Antonio. »Alle Frauen haben diese Stelle zwischen ihren Beinen.«
»Nein!«, widersprach Juan.
»Sogar unsere Jungfrau Maria hatte sie.« Wieder murmelte Bruder Juan ein Gebet und bekreuzigte sich. »Mit anderen Worten, mein Junge, hat Osorio etwas gefunden und als Zeichen des Satans gedeutet, das Gott jeder Frau geschenkt hat.«
»Das muss schrecklich für die Arme gewesen sein«, sagte ich.
»Es war mehr als schrecklich«, entgegnete Bruder Antonio. »Als sie nicht gestand, folterte Osorio sie zu Tode.«
»Mein Gott«, sagte ich. »Wie wurde er bestraft?«
»Bestraft? Überhaupt nicht. Gott kennt die Seinen, wie es heißt. Die Frau erhielt die Absolution und kommt in den Himmel.«
Schweigend setzten wir unseren Weg fort.
»Antonio«, meinte Bruder Juan schließlich kopfschüttelnd, »deine ketzerischen Ansichten werden die Inquisition eines Tages nicht nur auf dich, sondern auch auf den Jungen aufmerksam machen.«
Bruder Antonio zuckte die Achseln. »Also gut. Erkläre es ihm auf deine Weise.«
»Als unser ruhmreiches Königspaar Ferdinand und Isabella den Thron des vereinigten Spanien bestiegen und die letzten maurischen Festungen auf der Halbinsel eroberten«, begann Bruder Juan, »wimmelte es im Land von Juden und Ungläubigen, die die Grundfeste unserer Gesellschaft bedrohten. Unsere Allerkatholischste Majestät setzte die Heilige Inquisition ein, um ihrem teuflischen Einfluss entgegenzuwirken. Zu guter Letzt erließ man das Gesetz, dass die Juden
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