Das Blut der Azteken
Komplizin. Als man ihn ergreift und auf die Galeeren schickt, entrinnt er der Sklaverei, indem er seine Schicksalsgenossen verrät und ihre geplante Meuterei aufdeckt, wofür er zum Lohn seine Freiheit wiedererhält.
Seine Memoiren schließen wie folgt: »Geneigte Leser, ich habe euch die wichtigsten Abenteuer meines Lebens geschildert. Was folgte, nachdem der König mir in seiner Gnade die Freiheit schenkte, werdet ihr noch zu hören bekommen, vorausgesetzt, dass ich lange genug lebe, um es euch zu erzählen.«
Ich bin Guzmán dankbar für alles, was ich durch ihn gelernt habe, denn so konnte ich der erfolgreichste Bettler auf den Straßen von Veracruz werden. Und ich kann nur hoffen, dass es mir genauso wie ihm gelingen wird, die Hürden des Lebens mit Klugheit und Mut aus dem Weg zu räumen.
Guzmán war wirklich mein Mentor, der mir viel mehr vermittelte als nur die Kunst des Bette l ns. Er hat mir seine Lebensweise nahe gebracht. Als ich im Schatten lag, an Guzmán dachte, auf Bruder Antonio wartete und mich fragte, was ich tun sollte, wenn er nicht käme, fand ich in dieser pikaresken Legende die Antwort darauf, in welche Richtung sich meine Zukunft entwickeln würde. Da mir wie Guzmán ein friedliches Leben verwehrt worden war, würde ich tun, was nötig war, um nicht unterzugehen. Und wenn das hieß, dass ich lügen, stehlen und Frauen verführen musste, dann sollte es eben so sein.
Als ich mir mein Dasein als lépero ins Gedächtnis rief, schämte ich mich. Inzwischen war ich überzeugt davon, dass ich zu Größerem bestimmt war als Almosen zu erbetteln. Schließlich konnte ich Latein und Griechisch lesen und in verschiedenen Fremdsprachen parlieren. Und in diesem Augenblick dämmerte mir, dass Gott selbst mir den Weg gewiesen hatte, indem er mir die Möglichkeit gab, Guzmáns Werk kennen zu lernen.
13
Es war fast Mittag, als ich Bruder Antonio auf der Straße erkannte. Bruder Juan war bei ihm, die beiden teilten sich ein Maultier.
Mit einem Freudenschrei kam ich aus meinem Versteck gestürmt, doch ich hielt mich rasch zurück, als ich Bruder Antonios warnenden Blick bemerkte. Offenbar hatte er seinem Freund nichts von meiner misslichen Lage erzählt, und ich konnte mir den Grund gut vorstellen. Bruder Antonio war zwar kein Mann von Flamme und Schwert, doch er hatte das Herz eines Löwen -wenn auch manchmal das eines verängstigten Löwen. Bruder Juan hingegen war zarter besaitet, ein gütiger, sanfter Mensch, der sich allzu leicht ins Bockshorn jagen ließ.
»Cristo, ich habe Bruder Juan gesagt, du hättest es so eilig gehabt, deine Freunde zu ihrem Dorf an der Straße nach Jalapa zu begleiten, dass du dich lieber unterwegs mit uns treffen wolltest. Sind deine Freunde gut nach Hause gekommen?«
Der Bruder fragte mich, ob ich in Schwierigkeiten geraten sei. »Ja, aber wir haben Ramón verpasst. Er ist nicht erschienen.«
Bruder Antonio wirkte erleichtert. Wie es meinem Rang geziemte, ging ich zu Fuß hinter dem Maultier der beiden Spanier her.
Unterwegs wurde kaum gesprochen. Obwohl ich viele Fragen an Bruder Antonio hatte, wagte ich nicht, sie zu stellen. Aus seiner angespannten Miene schloss ich, dass sich die Dinge in Veracruz nicht zum Besten entwickelt hatten. Bruder Juan ahnte zwar nichts von meinen Problemen, doch er spürte rasch, dass etwas im Argen lag.
»Antonio sagt, er hätte Magenschmerzen«, meinte Bruder Juan. »Was meinst du, Cristóbal? Könnte es sein, dass es an einer Frau liegt?«
Das war nur ein Scherz, auch wenn sich Bruder Antonio wirklich Sorgen wegen einer Frau machte - allerdings nicht aus den Gründen, die Juan angedeutet hatte.
Mit jeder Stunde, die wir die Hügel hinaufstiegen, wurde die Luft kühler. Der Marsch war fast angenehm, bis wir einen Gasthof erreichten. Wie der, in dem ich zuletzt Rast eingelegt hatte, war er nichts weiter als eine Indiohütte. Im Schatten standen ein großer Tontopf mit pulque und ein steinerner Ofen, auf dem Tortillas backten. Es hätte eine nette Verschnaufpause werden können, wären die beiden Brüder, die sich auf einen Baumstamm gesetzt hatten, nicht mit einigen Inquisitoren ins Gespräch geraten.
Sie waren zu dritt, Dominikaner, zwei von ihnen einfache Mönche in schwarzen Kutten und ein Prior, der das grüne Kreuz der Heiligen Inquisition trug. Da man mich für einen Mestizen oder Indio und somit für einen Diener der Brüder hielt, schenkte man mir nicht mehr Beachtung als unserem Maultier. Die sechs Diener der Dominikaner
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