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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Aufmerksamkeit von zwei Priestern erregt. Rasch ließen sie die Röcke sinken und stimmten »Das Lied von der Galeere an«; es handelte von einer Frau, die darauf wartet, dass ihr Geliebter aus der Gefangenschaft bei den Mauren zurückkehrt.
    Ihr Seeleute aus Spanien,
rudert mit aller Kraft,
bringt mir den Liebsten wieder
aus finst'rer Maurenhaft.
    Ihr prächtigen Galeeren,
ihr Schlösser auf dem Meer,
wie werd ich euch verfluchen,
seh ich ihn nimmermehr.
    Der Wind, der wehet heftig
und bläst mit aller Kraft.
Befreit rasch meinen Liebsten
aus finst'rer Maurenhaft.
    Die sanfte Meeresbrise
mich nicht mehr kühlen kann,
erhitzt mich, wenn ich blicke
über den Ozean.
    Erhebet eure Segel ,
rudert mit aller Kraft .
Und holt mir meinen Liebste n
aus finst'rer Maurenhaft .
    Ich seh am andern Ufer
die blauen Hügel stehn.
Ich warte auf dein Kommen,
bis wir uns wiedersehn.
    Ich bete zu Maria,
mein Glaube gibt euch Kraft.
Dann kommt mein Liebster sicher heim
aus finst'rer Maurenhaft.

    Niemand, nicht einmal die beiden Geistlichen, tadelte die Schauspielerinnen wegen ihres anzüglichen Gesangs oder der wirbelnden Röcke. Außerdem hatte sich die Truppe sehr verwandelt, seit sie in unscheinbarer Dienertracht von Bord der Schatzflotte gegangen war. Nun trugen sie auffällige Kostüme, und mir wurde klar, dass die Dienstbotenverkleidung nur eine Maskerade gewesen war. Die Inspektoren am Ufer schickten Passagiere von zweifelhaftem Ruf nämlich postwendend nach Manila weiter, was einem Todesurteil gleichkam -und Schauspieler galten gemeinhin als zwielichtige Gestalten. Wenn gelegentlich eine Schauspielertruppe in Veracruz gastierte, pflegte Bruder Antonio anzumerken: »Der König verbietet ihnen nicht nur, hier einzureisen. In Spanien verweigert ihnen die Kirche nach ihrem Tod sogar ein Grab in geweihter Erde.«
    »Hat man Angst, die Schauspieler könnten die Toten verderben?«, fragte ich arglos.
    »In den Augen der Kirche sind ein Schauspieler und ein Pícaro ein und dasselbe.«
    Nach meiner heimlichen Lektüre von Guzmán de Alfarache wusste ich, was er meinte, und ich verstand, warum ich mich von diesen zwielichtigen Gesellen angezogen fühlte. Zugegeben, sie führten kein anständiges Leben, aber das tat ich auch nicht, nur mit dem Unterschied, dass sie im Gegensatz zu mir Spaß dabei hatten. Sie arbeiteten nicht, und sie kannten keine Angst. Die Menschen klatschten ihnen begeistert Beifall und warfen Geld in ihre Hüte, während ich für meine schmerzhaften Verrenkungen meistens nur getreten und verspottet wurde. Außerdem konnten sie sich auf Reisen, Abenteuer und leichte Mädchen freuen. Ich würde ganz sicher in der Gosse oder als Sklave in einem Bergwerk sterben, sie hingegen würden vermutlich in einem Federbett das Zeitliche segnen, zwischen den Beinen einer aufregenden Señorita, während ein eifersüchtiger Rivale versuchte, die Tür einzuschlagen.
    Ein Pícaro führte ein spannendes Leben und war frei wie ein Vogel. Im Gegensatz zu einem lépero, der als Mischling ständigen Erniedrigungen ausgesetzt war, konnte sich ein Pícaro als Herzog ausgeben und vielleicht sogar eines Tages einer werden! Die Zukunft eines Pícaro war nicht durch seine Geburt vorherbestimmt, er nahm sein Leben selbst in die Hand und handelte nach freiem Willen. Er wandelte stolz umher, sprach auch höher Gestellte an, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, hatte stets Hoffnung, nie Respekt -und vor allem niemals Angst. Ein Pícaro ging unbeschwert und leichtfüßig durch die Welt, selbst wenn er jemandem die Börse stahl oder ihm die Kehle aufschlitzte.
    Und die Pícaras! Ach, was waren das für Frauen! Ihre Blicke waren kühn, ihr Blut war heiß. Die anderen Frauen in Neuspanien, die Mestizinnen, Indigenas, Mulattinnen, Afrikanerinnen und Spanierinnen, waren zwar hübsch anzusehen, verhielten sich aber niemals ungezwungen. Nicht einmal die auffälligen Mulattinnen, die bunte Kleider tragen durften, hätten auch nur im Traum daran gedacht, ihre gesellschaftliche Stellung anzuzweifeln oder gegen die ihrem Geschlecht auferlegten Einschränkungen aufzubegehren.
    Diese Frauen schmückten und kleideten sich zwar wie verführerische Blüten, um den Männern zu gefallen, doch sie fanden sich trotz ihres ausgelassenen Verhaltens und ihres Lachens damit ab, dass sie dem Caballero, dem sie schöne Augen machten, untergeordnet waren. Die Pícaras hingegen hoben ihre Röcke, stellten ihr Geschlecht zur Schau und sangen Lieder über Frauen, die Männer

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