Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
Dankbarkeit und Unterwerfung? Sie hätten ihm sicher alles gegeben, was er gefordert hätte. Aber nein, sein Vater, der Beschwörer, der Händler, der Mann, der immer versucht hatte, das Beste für sich und seine Sippe herauszuholen, dieser Mann hatte nun vorgeschlagen, dass sie zusammen auf den Handelsweg gehen sollten. Und nicht nur das. Telgar konnte bestimmen, welcher seiner Jäger gehen sollte und dieser durfte sich seinen Begleiter frei aus Tamboos Sippe erwählen. Das war kaum zu glauben.
Und was Tiboo noch viel mehr zusetzte war, dass ausgerechnet Lantan der auserwählte Jäger war. Wenn er ihn nur getötet hätte. Aber dieses verdreckte Wolfsvieh musste ja in den See springen, um den verhassten Mann vor dem Ersaufen zu retten. Was nun dazu führte, dass Tiboo nicht die Möglichkeit bekommen würde, mit den begehrten Steinen auf Handelsreise zu gehen. Noch schlimmer. Lantan hatte tatsächlich Mattoo als Begleiter ausgesucht. Das konnte nun wirklich nicht mehr wahr sein. Mattoo war schwach. Er konnte nichts, was ein Mann können sollte. Und er war auch immer noch verletzt. Aber Lantan wollte warten. Warten bis Mattoo wieder lange Strecken laufen konnte. Warten. Unglaublich. Tiboo vermutete, dass Lantan Mattoo gewählt hatte, weil er so auf jeden Fall immer der bessere Jäger war und Erfolg und Ruhm für sich beanspruchen konnte. Er hoffte, dass es andersherum kommen würde. Lantan konnte so vieles auf der Strecke zustoßen. Ein Überfall. Ein wildes Tier. Und dann würde sich diese Wahl rächen. Mattoo würde fliehen und Lantan wäre auf sich allein gestellt. Und vielleicht würde nur Mattoo zurückkehren. Er lächelte leicht. Aber auch diese Vorstellung konnte seine Wut nicht wirklich dämpfen. Zudem verhielt sich seine Frau immer seltsamer. Früher hatte sie kaum etwas gesagt, immer nur genickt und getan, was er ihr aufgetragen hatte. Aber nun schien sie mehr und mehr zu verstehen, was um sie herum passierte. Sie sprach gelegentlich mit seinem kleinen Bruder. Und blieb manchmal verdächtig lange weg, um eine Aufgabe zu erfüllen. Er musste mit ihr reden.
Als sie das Lager der Schatten erreichten, war die Sonne schon weit abgestiegen. Vorsichtig umkreisten sie die kleine Lichtung und erst als sie sicher waren, dass niemand mehr in der Nähe war, untersuchten sie die Hinterlassenschaften genauer. Während Haroo die Spuren der weitergezogenen Schatten sicherte, um sie nicht zu verlieren, inspizierte Tisgar das verlassene Lager. Ihm fiel auf, dass es nur eine sehr kleine Feuerstelle gab. Die Schatten waren offenbar mehr darauf bedacht gewesen, keine Aufmerksamkeit zu erregen, als ihre Nahrung genießbar zuzubereiten. Er fand ein paar Abfälle, die Reste einiger Heilpflanzen - sie wussten also, wie man Wunden versorgt - und sonst nichts. Selbst in Eile hinterließ dieser Gegner nur wenig Spuren. Selbst wenn er tagelang, ja fast einen Mond lang mit Frauen und Kindern lagerte, zeigte dieser Feind kaum Anzeichen von Leben. Tisgar hob ein Blatt, das zur Wundheilung verwendet worden war, auf. Es war blutverschmiert. Der Geruch drang in seine Nase und er schauderte. Vor sich sah er kurz das Bild des Mannes, der ihn während des Überfalls niedergestreckt hatte. Er spürte wie die riesige Axt knapp an seinem Kopf vorbeisirrte und der Schaft ihn dann doch noch mit ziemlicher Wucht an der Stirn traf. Fühlte erneut die Hilflosigkeit in sich, die Angst vor dem Tod, den verletzten Stolz, die Wut, den Hass. Das Blut des Feindes war an seinen Fingern und langsam hob er die Hand zu seinem Gesicht und bestrich damit seine Wangen. Durchströmt von neuen Rachegefühlen packte er seine Axt fester, erhob sich und ging entschlossen in Richtung der vom Lager wegführenden Spuren.
Haroo packte ihn am Arm und schüttelte ihn kurz. "Tisgar!" rief er und seine Stimme schien den Angesprochenen zu erreichen. "Wir müssen rasten." "Was?" Tisgar sah ihn erstaunt an. "Nein. Wir verlieren sie." Haroo schob ihn sanft zurück auf die Lichtung. "Wir verlieren sie nicht." beruhigte er seinen Gefährten. "Auch sie müssen sich irgendwann ausruhen. Ich denke, sie gehen nicht davon aus, dass sie verfolgt werden. Also werden sie noch einige Zeit laufen, bis sie ihrer Meinung nach weit genug von ihrem alten Lager entfernt sind und dann werden sie ein paar Tage an einem Ort bleiben. Sie müssen ihre Verletzungen versorgen, sich stärken und erholen." Tisgar schien über die Worte nachzudenken. "Wenn sie uns nicht bemerken, ..." fuhr Haroo fort. "...
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