Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
rasch, dass sich die Gruppe darüber stritt, wem sie zukünftig folgen sollte. Ihr Anführer war also tatsächlich getötet worden. Das hatte sicher auch zu ihrem schnellen Rückzug beigetragen und wie sich herausstellte, war es auch jetzt von Vorteil. "Ihr müsst darum kämpfen." rief eine Frauenstimme. "Das dauert zu lange, wir müssen schnell weiter." antwortete ein Mann. "Wir müssen nicht weiter." warf eine weitere Männerstimme ein. "Wir erholen uns und suchen dann die nächsten Opfer. Wir müssen vor niemandem fliehen." "Das bestimmst nicht du." Der Streit wurde lauter und heftiger und schließlich stimmte die Menge ein und rief rhythmisch "Kämpft, kämpft, kämpft!". Tisgar wippte im Takt mit und stellte sich vergnügt vor, wie die Bestien sich gegenseitig zerfleischten. Kurze Zeit später passten die Hintergrundgeräusche perfekt zu seiner Fantasie.
Haroo hatte sich etwas näher heran geschoben. Nun bedeutete er Tisgar zu warten, drückte sich auf den Boden und kroch ganz langsam weiter auf die Kampfgeräusche zu. Tisgar blieb still sitzen und hielt den Atem an als sein Begleiter nach und nach in der Dichte des Unterholzes verschwand. Er wartete und lauschte den Rufen und Schreien der Feinde. Dabei malte er sich aus, wie er sie alle nacheinander niederstreckte. "Töte ihn, töte ihn, töte ihn!" Er wurde jäh aus seinen Fantasien gerissen, als die Geräusche plötzlich verstummten. Das war nicht gut. Hatten sie Haroo entdeckt? Kurz überlegte Tisgar, ob er ihm folgen sollte, doch dann hörte er die Schatten wieder. "Ich habe gewonnen. Ihr folgt mir!" Er glaubte, dass es sich um den Mann handelte, der nicht sofort hatte weiter ziehen wollen. Das wäre günstig. "Nein, du bist ein [Das Wort kannte Tisgar nicht.], du kannst uns nicht führen." Wieder fielen weitere in den Streit ein, bis alle durcheinander schrien. Ein neuer Kampf schien auszubrechen und Tisgar gab sich erneut seinen Vorstellungen hin. Die Geräusche wurden lauter, wilder. Ein Schlag. Ein lauter Schmerzensschrei aus dem Mund einer Frau. Vielleicht ein Todesschrei. Tisgar hoffte das zumindest. Langsam machte er sich aber trotzdem Sorgen um Haroo. Er legte sich vorsichtig auf den Boden, vielleicht konnte der den Freund erspähen. Nichts.
Gerade als Tisgar loskriechen wollte, war Haroo plötzlich wieder da und zog ihn mit sich in die andere Richtung. Er sagte nichts und Tisgar fragte nicht, bis sie an einem Ort waren, der Haroo offenbar ausreichend entfernt und sicher schien. "Es sieht gut aus." flüsterte Haroo. "Sie sind jetzt noch sieben und ich denke, sie werden hier schlafen." Er atmete tief durch. "Der, der sie jetzt anführen wird, hat einen Mann und eine Frau getötet und einen weiteren Mann verletzt. Unsere Gegner sind also zwei starke Männer, ein verletzter Mann, zwei Frauen und zwei Kinder." "Kinder?" Tisgar war überrascht. "Ja." antwortete Haroo. "Mädchen und Junge. Nicht sehr alt. Vermutlich haben sie während des Überfalls im Lager gewartet." "Also eigentlich nur noch drei Kämpfer." sagte Tisgar. "Dann können wir doch direkt zuschlagen." Haroo schüttelte den Kopf und fasste Tisgars Handgelenk. "Sie sind stark. Ihre Frauen kämpfen auch. Und du hast ihre Waffen gesehen." Er zeichnete die großen Äxte mit den Händen nach. "Wir sollten warten bis sie schlafen, wenn wir gut sind, schalten wir dann mindestens zwei aus, bevor sie wissen, was los ist." "Wir sollen genau so vorgehen wie diese Feiglinge?" empörte sich Tisgar. "Uns im Schutz der Dunkelheit heranschleichen und sie hinterrücks überfallen?" "Ja." entgegnete Haroo einfach. "Damit rechnen sie nicht." Er zuckte die Schultern. "Tisgar, wir sind zu zweit. Willst du einfach nur sterben oder willst du ernsthaft versuchen, sie zu besiegen?" Tisgars Gesichtsausdruck spiegelte wenig Begeisterung wieder, aber er nickte. "Ich werde die Ahnen um Beistand bitten." Er schloss die Augen. "Und La-an, der starke Gott, wird unsere Waffen mitten in die Herzen unserer Feinde führen."
Es war so dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Nur wenig Licht des fahlen Mondes schaffte es bis in die Tiefen des dichten Waldes. Die Schatten hatten kein Feuer gemacht. Schliefen sie schon alle? Oder ruhten sie nur? Hielt jemand Wache? Haroo und Tisgar wussten es nicht. Haroo hatte Tisgar die winzige Lichtung und ihre derzeitigen Bewohner so genau wie möglich beschrieben und sie hatten sich einen ungefähren Plan zurechtgelegt. Es würde schwer werden, das war ihnen bewusst. Sie
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