Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
geschah, suchten wir zuerst seine Siedlung auf in der Hoffnung, dass diese Sippe und somit auch meine Tochter überlebt hatte, doch bereits auf dem Weg dorthin wurde uns klar, dass es viel schlimmer war, als wir uns hatten vorstellen können. Alles war verändert, verschoben, vernichtet, zerstört, hinfort getragen worden, wir fanden auch von dieser Sippe keinen Überlebenden.
Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich hatte so viel erlebt und gesehen, das Wasser hatte mir so viel gegeben. Der Tag, an dem es geschah, hatte uns nun alles genommen.
Der Tag, an dem es geschah, begann vielversprechend. In der Nacht hatte die Frau eines unserer Jäger ein Kind zur Welt gebracht, ein wunderbarer gesunder Sohn. Die Sonne schien und Koor, so war der Name des Vaters, wollte die Geburt seines ersten Sohnes mit uns feiern. So brachen wir in das höher gelegene Hinterland auf, um einen schönen Braten zu erlegen, Suur, Maar, Koor und ich. Wir machten Spaß und dachten über einen Namen für das Kind nach, hielten kurz an einem Strauch mit leckeren Beeren und schlugen uns den Bauch voll - wenn das meine Frau gesehen hätte. Schließlich erreichten wir die ersten Waldausläufer und suchten nach frischen Hirsch- oder Wildschweinspuren. Unser Ziel war eine Stelle am Fluss, wo sich oft Tiere zum Trinken einfanden, aber wir hatten es nicht eilig an diesem Tag. Kurz bevor wir den Fluss erreicht hatten, entdeckten wir eine frische Spur, es waren Wildschweine und wir wurden nun etwas leiser und folgten ihr vorsichtig. Wir stellten die Tiere am Fluss und konnten eins erlegen, als wir es für den Transport vorbereitet hatten, ruhten wir uns noch etwas aus, bevor wir gemächlich den Heimweg antraten.
Als wir mit unserer Beute zurückkamen, sahen wir Lania am Ende der Anhöhe stehen. Sie hatten sie geschickt, um nach uns Ausschau zu halten, unser Ausflug hatte ihnen schon zu lange gedauert. Sie wunderten sich, wo wir blieben und wie wir noch erfahren sollten, wunderten sie sich noch über etwas anderes. Lania entdeckte uns, winkte uns zu, winkte der Sippe unten im Lager zu und kam uns dann entgegen. Sie berichtete, dass die anderen uns bereits vermisst hatten und dass gerade eben das Wasser verschwunden sei. Es war zurückgegangen zu einem Sonnenstand, zu dem es sonst niemals zurückweicht. Wir wussten schon lange recht gut, wann das Wasser ging und wann es kam, obwohl es nicht immer genau war und sich verschob, war das Muster doch klar. Darum verwirrte uns, dass das Wasser jetzt zurückgegangen war, so wie es auch die anderen Sippenmitglieder und Lania verwundert hatte und wir liefen etwas schnelleren Schrittes zusammen in Richtung Lager zurück.
Als wir die Stelle erreichten, an der das Land abfiel und von der aus man das Lager wieder sehen konnte, hielten wir abrupt an und verfielen in eine Art Starre. Entsetzen lähmte uns, denn das, was wir dort sahen, hatten wir noch niemals zuvor gesehen, und wir werden es wohl nie vergessen können. Kälte und Angst erfasste unseren ganzen Körper, wir standen hilflos da und betrachteten den Schrecken, der unsere Sippe überfiel, so schnell, dass man nur noch schreien konnte, so endgültig, dass man nur noch schweigen wollte. Die Bilder des Tages, an dem es geschah, haben sich in meinen Kopf eingegraben. Wenn sie mich nachts heimsuchen, werden sie von den Geräuschen und Gerüchen begleitet, so als wäre ich noch da, so als würde dieser Tag niemals enden. Ich höre das Rauschen, es klingt zunächst wie ein Grummeln, ein Knurren wie von einem wütenden Tier, aber es wird immer lauter, ein Tosen, Donnern. Es riecht süßlich und feucht, es ist kalt, ich zittere, und der Boden scheint mit mir zu zittern. Schreie.
Das Wasser kam zurück. Aber nicht so wie sonst, nicht so wie wir es kannten und erwarteten und ... liebten, so wie es immer zurückgekommen war. Es kam nicht als Wasser, es kam als Berg, ein dröhnender riesiger Berg aus Wasser, so breit wie die ganze Küste, so weit, wie man nicht sehen konnte. Er kam rasend schnell auf das Land zu und wurde dabei immer höher und immer lauter. Über zehn Schritt hoch bäumte er sich vor unserer Siedlung auf, grollte schrecklich und schlug dann auf das ungeschützte Land nieder. Überall war nur noch Wasser, nichts war mehr zu sehen außer Wasser und nun schien alles in völliger Stille zu liegen und es roch nach ... Tod. Die Welle begrub das Lager unter sich, verschlang alles, was wir hatten und waren, schleuderte es hin und her, zog es nach unten und
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