Das Blut der Lilie
und
deswegen dröhnt er sich ständig zu.
Er lässt mich zehn Schritt weitergehen, dann ruft er: »Ich
hol die Gitarre von meinem Paten raus.«
Wow. Die ganz groÃen Geschütze. Sein Pate ist zufällig Keith
Richards.
Ich drehe mich um. »Was willst du von mir, Nick?«, frage ich
leicht gereizt.
»Die ist super«, sagt er. »Er hat mit ihr Angie komponiert.«
»Was willst du? Sex kannâs nicht sein. Davon hast du genug.
Drogen auch nicht. Du hast mehr Pillen als die Apothekervereinigung. Brauchst
du Hilfe bei deinen Französischhausaufgaben? Ist es das?«
»Er hat sie mir letzten Monat geschenkt. Als ich in England
war«, antwortet er. Seine Stimme klingt jetzt sanft. Flehend.
Fast hätte ich es laut ausgesprochen. Das Wort fast
ausgespuckt, nach dem er sich so sehnt â Vergebung. Aber dann lüftet sich der
Drogennebel, sein Blick trifft den meinen, und ich kann den Schmerz darin
sehen. Also spreche ich es nicht aus. Ich lasse ihn nett zu mir sein. Das ist
zwar nicht, was er will, aber das Beste, was ich tun kann.
»Du bluffst doch«, sage ich. »Sie ist nicht von Onkel Keith.
Du hast sie bei Ebay gekauft.«
Er lächelt. »Nein. Es ist seine.«
»Ja? Was ist es denn für eine Marke?«, frage ich, um ihn zu
testen.
»Es ist ⦠ähm ⦠eine Fender Bender ⦠nein, irgendeine Paul
Gibson ⦠eine Art Stratoblaster. Ach, ScheiÃe, ich weiÃes nicht. Aber es ist seine,
das schwöre ich. Wir rufen ihn an, und er wird es dir sagen. Er hat sie mir
geschenkt. Wenn du kommst, lass ich dich darauf spielen.«
»Okay. Ich komme.«
Ich nehme meine Tüten, verabschiede mich von ihm und gehe
dann an Arden vorbei. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich Staub. »Hey, danke
für die Einladung«, sage ich zu ihr. Sie macht sich nicht die Mühe, mir zu
antworten. Sie hebt ihre ganze Liebe für Nick auf.
»Warum hast du sie nicht gleich hier auf dem Gehsteig
gevögelt, Nicky? Das wolltest du doch. Das konnte doch jeder sehen!«
»Hau ab, Arden, ja? Bei dir krieg ich Kopfweh.«
Ah, junge Liebe.
Lächelnd biege ich in meine StraÃe ein. Die Winterferien
stehen vor der Tür. Ich beschlieÃe, Vijay anzurufen und ihn zu fragen, ob er
mitkommt. Abgesehen von der Gitarre, die ich sehr gern spielen möchte, verheiÃt
diese Party Möglichkeiten: gelangweilte reiche Jungs, eifersüchtige reiche
Mädchen, eine Menge illegaler Substanzen, vielleicht sogar eine geladene Waffe.
Wenn ich Glück habe.
  7 Â
Wie sich herausstellt, habe ich keines. Glück, meine ich.
Kein bisschen.
Die Party ist ScheiÃe. Wortwörtlich. Ich bin noch keine zehn
Sekunden in Nicks Haus, als ein feuchter weiÃer Haufen auf meiner Schulter
landet.
Ich blicke hoch. Ãber mir sitzt ein groÃer grüner Papagei im
Kronleuchter und putzt sich das Gefieder.
Rupert Goode, Nicks Dad, taucht humpelnd mit einem Lappen
hinter mir auf. »Jago, du Halunke!«, ruft er und schwingt seinen Stock in
Richtung des Vogels. »Ich dreh dir den Hals um. Ich rupf dich, nehm dich aus
und schieb dich ins Backrohr!«
»Ach ja, du dummer Gentleman!«, krächzt Jago und fliegt
davon, um den Nächsten zu bombardieren.
»Tut mir leid, meine Liebe«, sagt Rupert. »Er ist ein
Schurke, dieser Vogel. Erlaube mir â¦Â«
Rupert Goode ist Schauspieler. Er hat jede männliche
Hauptrolle gespielt, die Shakespeare je geschrieben hat, eine Unmenge
Independentfilme gedreht und dann mit vier oder fünf Harry Potters Kasse
gemacht. Jetzt kann er kaum noch arbeiten. Er zittert. Aber seine Stimme ist
immer noch schön. Die hat die Parkinson-Krankheit noch nicht ruiniert.
Ich blicke mich um, während er mir die ScheiÃe abwischt,
betrachte die Wasserflecken auf der Tapete in der Diele und die abbröckelnde
Decke darüber. Ein verblichenes Gemälde in einem angeschlagenen Rahmen. Ein
stinkender Terrier, der auf einem Mantel schläft. Halb umgekippte
Manuskriptstapel. Wenn es das Haus von jemand anderem wäre, stünde es auf der
städtischen Abrissliste, aber weil es Rupert Goode gehört, ist es in der Vogue.
»Ich sehe dich gar nicht mehr«, sagt Rupert. »Früher habe ich
dich oft mit Marianne im Cranberryâs getroffen, wo ihr morgens Kaffee getrunken
habt.« Er ist mit meiner Mom befreundet. Oder war es. Als sie noch Freunde
hatte.
»Ich hatte viel zu
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