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Das Blut der Lilie

Titel: Das Blut der Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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auf und spiel was. Das
ist das Mindeste, was du tun kannst. Du hättest uns beide beinahe umgebracht.«
    Also spiele ich. Schlecht. Weil meine Hände zittern. Ich
beginne mit You
Can’t Always Get What You Want, was den Umständen angemessen
scheint. Dann Far
Away Eyes. Und Fool To Cry .Danach halte ich inne, um meine
Hände aufzuwärmen.
    Nick sagt kein Wort. Es ist vollkommen still, und ich
schätze, dass er immer noch stinksauer ist,oder findet, dass ich völlig
durchgeknallt bin, aber schließlich sagt er: »Das war toll. Spiel noch was
anderes.«
    Â»Ich kann nicht. Meine Finger sind völlig steif.«
    Er kommt ganz nahe zu mir, nimmt meine Hände und bläst
darauf. Sein Atem ist süß vom Wein und warm. Er riecht gut. Und er sieht gut
aus. Und als er mein Gesicht zwischen die Hände nimmt und mich küsst, fühlt er
sich auch gut an.
    Die Gitarre habe ich noch immer umhängen. Ich streife sie ab
und lege sie weg. Ich möchte ihn spüren. Seinen Atem auf meinem Nacken. Die
Wärme seiner Haut. Um etwas anderes als Traurigkeit zu fühlen.
    Halt mich fest, sage ich im Stillen. Halt mich fest hier. An
diesem Ort. In diesem Leben. Bring mich dazu, dich zu wollen. Das hier zu
wollen. Etwas zu wollen. Bitte .
    Und plötzlich höre ich: »Oh. Mein. Gott.«
    Es ist Arden. Sie ist hier auf dem Dach.
    Â»Du bist ein solcher Arsch , Nick!«
    Â»Arden … es ist nicht … es ist nichts … wir haben bloß … sie
war ganz außer sich, weißt du? Und ich hab …«
    Arden schleudert eine Bierflasche auf ihn, die am Kamin
zerschellt. Das Geschrei geht los.
    Â»Du gehst jetzt besser«, sagt er zu mir.
    Das tue ich. Leise. Die Leiter hinunter, die endlose Flucht
von Treppen hinab und zur Tür hinaus. Ich bin schon halb die Pineapple Street
hinunter, kann sie aber immer noch auf dem Dach schreien hören.
    Â»Ich glaube dir nicht!Ich bedeute dir nichts , stimmt’s?«
    Â»Ich hab dir doch gesagt, dass nichts war!«
    Das ist es nie. War es nie. Warum bin ich nicht gesprungen,
als ich die Möglichkeit hatte?
    Â Â 8  
    Â»Mom?«, rufe ich, als ich die Haustür öffne. Keine Antwort.
Was nicht ungewöhnlich ist, wohl aber die Tatsache, dass im ganzen Haus Licht
brennt. »Warum ist es so hell hier drinnen?«, murmle ich. »Mom?«
    Feste, schnelle Schritte kommen aus dem Wohnzimmer.
    Â»Wo warst du?«
    Diese Stimme. Diese Frage. Ich bleibe wie angewurzelt stehen.
Genau dieselbe Frage stellte er mir an jenem Morgen. Als Truman starb. Nur dass
er mich damals anschrie. Immer wieder.
    Â»Hey, hallo, Dad«, sage ich. »Lange nicht gesehen. Wie
steht’s mit D, N und A?«
    Â»Wo warst du?«
    Â»Auf einer Party. Bei den Goodes zu Hause.«
    Â»Den Goodes? Andi, sag mir nicht, dass du mit Nick Goode
gehst.«
    Â»Tu ich nicht.«
    Â»Gott sei Dank.«
    Â»Ich geh mit Rupert.«
    Seine Miene verdüstert sich. »Das soll wohl komisch sein? Ist
es aber nicht. Warum musst du immer so …«
    Schrecklich sein. So furchtbar. So absolut fies? Damit ich so
tun kann, als stünden wir deshalb drei Meter voneinander entfernt, ohne uns zu
umarmen, ohne Hallo zu sagen, ohne nachzufragen, wie es dem anderen geht,
nachdem wir uns vier Monate nicht gesehen haben, weil ich so fies bin. Nicht
weil wir einander hassen.
    Â»â€¦ ätzend sein? Das ist völlig inakzeptabel. Absolut nicht
hinnehmbar. Warum hast du mich nicht angerufen? Warum hast du mir nichts
erzählt?«
    Â»Von Nicks Party?«, frage ich verwirrt.
    Â»Von St. Anselm! Von deinen Noten. Den Bildern. Deiner
Mutter. Warum um alles in der Welt hast du mich nicht informiert über ihren
Zustand?«
    Ich werde panisch. »Was ist los? Wo ist sie? Weiß sie, dass
du da bist?«
    Ich habe Angst, dass er sie aufgeregt hat. Das kann er
nämlich. Ich lasse ihn stehen und laufe ins Wohnzimmer. Zu meiner Erleichterung
sitzt sie dort. Und malt. Malt einfach.
    Â»Hey, Mom«, sage ich. »Hast du Hunger? Möchtest du ein
Müsli?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    Â»Dad? Müsli?«
    Â»Nein, ich …«
    Â»Toast?«
    Â»Was ich will, ist eine Erklärung!«, schreit er und
gestikuliert in Richtung der Wände.
    Â»Es sind Bilder. Mom ist Malerin, schon vergessen?«
    Er dreht sich langsam im Kreis. »Jede Wand ist mit Bildern
zugekleistert. Bis auf den letzten Zentimeter.«
    Er hat recht. Sie

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