Das Blut der Medusa
vom Nichtstun und sprachen auch davon, daß es in ihrem Land regnete.
Ich aß das Ei und zwei Brötchen. Clarissa hielt gut mit. Über unseren Fall hatten wir bisher nicht gesprochen. Das taten wir erst, als bei mir die Morgenzigarette brannte.
»Bleibt es bei deinem Plan?« erkundigte sich Clarissa.
»Ja, wir müssen rüber.«
»Das mit dem Boot wird klargehen. Hier gibt es zahlreiche Bootsverleiher.«
»Kennst du eigentlich die Insel?« Während ich sprach, wehte mir der Wind den Rauch von den Lippen.
»Ja und nein. Sie ist bewohnt, aber nicht überall. An der Ostküste ist sie ziemlich unwegsam. Ich habe heute morgen schon Erkundigungen eingezogen und erfahren, daß im Ostteil der Insel Aussteiger eine neue Heimat gefunden haben.«
Ich horchte auf. »Das ist interessant. Weißt du mehr über sie?«
Clarissa nahm einen Schluck Kaffee. »Nein. Es geht nur das Gerücht um, daß es diese Gruppe geschafft hat, einen Teil der Insel in ein regelrechtes Paradies zu verwandeln.«
»Wie das?«
»Da fragst du mich zuviel.«
Ich nickte ihr zu. »Dann werden wir wohl an der Ostseite an Land gehen.«
»Das meine ich auch.«
»Möchtest du noch Kaffee?«
»Nein danke. Je früher wir fahren, um so besser. Das Boot wird nicht billig sein. Wir müssen uns schon eines nehmen, das seetüchtig ist.«
»Geht in Ordnung.« Ich hatte noch eine Frage. »Sag mal, haben eigentlich die Läden schon offen?«
Sie lachte mich aus. »Wo denkst du hin?«
»Ich wollte noch etwas kaufen.«
»Was denn?«
»Einen Spiegel. Es kann ruhig ein alter sein.« Ihr Gesicht verschloß sich.
»Wegen der Medusa, nicht wahr?«
»So ist es.«
»Glaubst du denn fest daran, daß es sie gibt? Ich meine noch immer; daß sie eine Mär ist, eine Legende…«
»Zumindest haben wir von ihrem Blut gehört. Und Stavros ist nicht umsonst versteinert.«
»O Gott, ja, ich hatte ihn fast schon vergessen.« Clarissa schlug ihre Hand gegen den Mund. »Ob die Polizei ihn schon gefunden hat? Wenn ja, wird man nach uns forschen.«
»Das müssen wir in Kauf nehmen, aber dann sind wir weg.«
»Guten Morgen, ihr Hübschen. Ist es gestattet?« Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm der Ankömmling einen dritten Stuhl und klemmte ihn zwischen unsere beiden.
Ich hatte ihn zuerst nicht erkannt. Sein Haar war gegelt und nach hinten gekämmt. Er trug eine enge weiße Hose und ein lang fallendes Hemd. In seinem Gesicht klebte noch die Schminke von der letzten Nacht.
»Konstantin«, sagte Clarissa. »Ich hätte dich fast nicht erkannt. Wo kommst du her?«
»Direkt von einer Freundin.«
»Ah so.«
Er hob die Schultern, als würde er frösteln. »Ist noch ein Schluck übrig?«
»Ja, gern.«
Konstantin war locker. Er nahm den Rest des Käses mit den Fingern und schaufelte die Stücke in seinen Mund. Dabei leerte er die Tasse mit einem Schluck. Daß er von den Nachbartischen beobachtet wurde, störte ihn nicht.
»Schmeckt gut«, sagte er und schaute zuerst mich, dann Clarissa lächelnd an. »Ihr dreht ja Dinger, ihr beiden.«
»Wieso?«
»Ach, hör doch auf.« Ich war gemeint. »Die Nacht hat viele Augen und noch mehr Stimmen.«
Er holte mit beiden Armen aus. »Der Wind flüsterte mir etwas zu.«
»Was denn?«
»Es waren keine freundlichen Gespräche. Er holte den Schrecken aus den Gassen, den versteinerten Schrecken, wenn ich deutlich genug bin, meine Freunde.«
»Nein«, sagte Clarissa, »du bist zu undeutlich.« Unser Gespräch wurde in Englisch geführt, so daß ich mithalten konnte.
»Der Wind war sogar sehr konkret. Er brachte die Nachricht eines Todes mit.« Betrübt senkte Konstantin den Kopf. »Der arme Stavros. Er hat sich zuviel vorgenommen. Ich habe es ja immer wieder gesagt. Er hätte sich nicht so produzieren sollen, versteht ihr?«
»Nein«, sagte ich.
»Süßer.« Ich zuckte leicht zurück, als mir Konstantin die Wange tätschelte. »Jetzt ist er steif, ganz steif.« Der junge Grieche lachte noch, seine Augen blitzten. »Nicht daß ich etwas gegen Steifheit hätte, aber bitte nicht am gesamten Körper.«
»Was soll das heißen?«
»Er rührt sich nicht mehr, verstehst du?«
»Ja, schon gut. Aber trotzdem…«
»Der Wind, mein Süßer«, flüsterte Konstantin. »Er hat mir die Nachricht überbracht. Man hat ihn gefunden, glaube ich. Ihr solltet verschwinden.«
Er lehnte sich zurück. »Himmel, was waren hier nette Jungs, sie alle sind weg. Die Weiber sind schlimm. Medusen, versteht ihr? Schon die alte und einzige Medusa war grauenhaft.
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