Das Blut der Medusa
jung!« fügte Suko als Abschiedsgruß hinzu.
Im Flur fragte er: »Müssen wir uns ein Taxi kommen lassen?«
»Nein, die Strecke schaffen wir zu Fuß.«
Die Sonne hatte sich gesenkt. Im September wurde es leider schon früh dunkel.
»John ist auch wegen eines Medusa-Falls unterwegs«, sagte Bill.
»Ja, in Griechenland.«
»Ich werde den Eindruck nicht los, daß beide Fälle zusammenhängen«, erklärte der Reporter.
»Hast du Gründe?«
»Nein, nur das Gefühl.«
»Das ist zu wenig.«
»Dieser Maler war Spanier«, sagte Bill, als sie vor einer Ampel stehenblieben, weil diese Rot zeigte. »Aber er hat nicht nur in Spanien gelebt. Er schwärmte für Griechenland und ist schon als junger Mann dorthin ausgewandert.«
»Das ist interessant«, sagte Suko leise.
»Ja, das meine ich auch.«
»Glaubst du deshalb an eine Verbindung zwischen den beiden Fällen?«
Bill wedelte eine Abgasfahne vor seinen Augen durcheinander. »Weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich so eine Ahnung.«
»Hoffentlich nicht allzu schlimm.«
»Doch, Suko, sehr…«
***
Obwohl es völliger Blödsinn war, fiel mir der Vergleich mit einem der Bond-Filme ein, wo der Held ebenfalls in einen märchenhaften Garten kommt und von zahlreichen Schönen erwartet wurde.
Hier waren es nur vier, aber auch die reichten, wenn es sich bei ihnen tatsächlich um die von uns so sehr gesuchten Medusen handelte. Wir waren bemerkt worden. Die Frauen begrüßten uns mit einem verführerischen Lächeln, als sie sich aufrichteten. Zwei waren blond. Ihr Haar umwehte die Köpfe fahnenartig. Die Gesichter waren jung, die Haut zart, kaum von der Sonne gebräunt. Sie wirkten fragil [1]
wie kostbare Puppen.
In den Bond-Streifen trugen die Girls zumeist knappe Tangas oder Bikinis. Diese hier hatten über ihre schlanken Körper durchsichtige Gewänder gestreift. Sie waren zart gewebt worden und schimmerten in hellen Pastelltönen. Wenn sich die Frauen auf eine bestimmte Art und Weise bewegten und sich die Gewänder verschoben, sahen wir die nackte Haut schimmern.
Die dritte Meduse besaß dunkles Haar. Es war sehr kurz geschnitten, wie bei der Schauspielerin Grace Jones. Fast schon eine Igelfrisur. Das Gesicht darunter wirkte etwas streng, aber der zu einem Lächeln verzogene Mund machte es freundlicher. Die vierte im Bunde war eine Farbige. Ihre Haut hatte die Farbe von Milchkaffee. Ihr Haar bestand aus einem wolligen, turmartigen Gebilde. Sie besaß einen gazellenhaften Körper mit sehr langen, schlanken Beinen. Als einzige trug sie Schmuck. Um ihren schlanken Hals lag eine Kette aus blutroten Perlen.
Die drei weißen Mädchen blieben auf ihren Liegen hocken. Sie lächelten uns nur an, die Farbige aber kam auf uns zu.
Clarissa stieß mich an. »John, das gefällt mir überhaupt nicht. Diese Frauen sind gefährlich. Die wollen uns in eine Falle locken.«
»Darin stecken wir bereits.«
»Und?«
»Eine echte Medusa sehe ich nicht. Oder wenigstens diese Flora, von der gesprochen wurde.«
»Vielleicht ist es die Dunkelhäutige.«
»Auf keinen Fall. Der Sage nach war Flora, die Göttin der Blumen, hellblond.«
»Sagen können sich irren.«
»Warten wir es ab.«
Die dunkelhäutigc Schönheit mit dem interessanten Gesicht ging um den runden Pool herum. Je näher sie kam, um so breiter und auch lockender wurde ihr Lächeln. Eine Körperlänge von uns entfernt blieb sie stehen.
»Willkommen«, sprach sie uns mit einer rauchigen Stimme und in meiner Heimatsprache an. »Ich bin Mona.«
»John!« sagte ich.
Sie nickte mir zu. »Und deine Begleiterin?«
Da ich merkte, daß Clarissa keine Antwort geben wollte, übernahm ich es für sie und sagte ihren Namen.
Mona lächelte sie an. »Du bist schön, Mädchen. Der Name Clarissa paßt einfach zu dir.«
»Ich kann darauf verzichten.«
»Ist sie böse?«
»Sie will keine Komplimente.«
»Das stimmt genau!« rief Clarissa und verlor in diesem Augenblick die Beherrschung. Sie sprang auf die Schwarze zu, packte sie an den Schultern, so daß sich der Stoff des rosafarbenen Gewandes verschob, und schrie sie an. »Warst du es, die meinen Bruder getötet hat? Warst du es, verdammt noch mal?«
»Nicht, Clarissa!« Ich riß sie zurück.
Sie wehrte sich noch, ich mußte sie hart anfassen, während Mona lässig ihr Gewand zurechtzupfte und sogar noch lächelte.
Clarissa schlug beide Hände vor das Gesicht und lehnte sich gegen mich. »Sorry, John, ich habe mich fürchterlich benommen, aber ich konnte einfach nicht
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