Das Blut der Rhu'u
Menschen änderten sich in so langer Zeit und Dämonen sicherlich auch. Was wäre, wenn er sich auf die Seite der Bashirs stellte?
Kara hatte in ihrer Vision gesehen, zu was die volle Macht des Arrod’Sha fähig war. Als Waffe eingesetzt, war verglichen mit ihm selbst eine Atombombe harmlos in ihrer Zerstörungskraft. Und die magischen Kräfte, die er den Rhu’u der Vergangenheit verliehen hatte, waren so gewaltig, dass möglicherweise gar nichts sie aufhalten konnte. Mit dem Arrod’Sha heil und ganz in ihren Händen, konnten sie die Welt beherrschen, wenn sie schon die Unterwelt nicht wollten.
Sie glaubte ihrem Vater, dass er und der Rest der MacLeods nicht an der Herrschaft über die Menschenwelt oder die Unterwelt interessiert waren. Aber mit den Bashirs sah es ganz anders aus, falls er recht hatte. Wie sehr würde deren Macht durch den Kristall gestärkt werden? Und vor allem: Macht korrumpiert. Auch das hatte der Blick in die Vergangenheit ihr gezeigt. Wenn der Arrod’Sha eines Tages wieder vollständig wäre, gab es keine Garantie dafür, dass Cal, Kay und ihre Geschwister nicht von dessen Macht in ihren Händen dazu verleitet würden, in dieser Welt genau das zu tun, was ihre Vorfahren in der Unterwelt versucht hatten.
Und auch sie selbst war nicht gegen Versuchungen gefeit. Zwar hielt Kara sich für einen durchschnittlich guten Menschen und konnte, vielmehr wollte sich nicht vorstellen, dass sie sich von der Machtfülle eines Arrod’Sha korrumpieren lassen könnte. Aber sie spürte bereits, wie die magische Macht, über die sie inzwischen verfügte, sie verändert hatte und noch weiter veränderte. Ihre Einstellung zu manchen Dingen wandelte sich in einer Weise, die ihr nicht besonders gefiel. Sie konnte nicht einmal für sich selbst die Hand ins Feuer legen, dass die Macht des Arrod’Sha nicht ihre dunkelste Seite weckte und sie die ausleben ließ, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, welche Folgen das für die Menschen haben mochte. Oh Gott, was für ein Dilemma!
Aus dem es letztendlich für sie nur einen Ausweg gab. Sie musste ihre Familie verlassen und sich so gut verbergen, dass sie nicht mehr gefunden werden konnte. Denn sobald die Familie die neun Teile des Arrod’Sha in den Händen hatte, würden sie alles daransetzen, Kara zu finden, um ihn zusammenzufügen. Also musste sie gehen. Der Gedanke schnitt ihr ins Herz. Sie empfand nach der kurzen Zeit mit ihrer Familie bereits eine sehr tiefe und innige Bindung zu Kyle, ihrem Vater und Cassie. Sie hatte sogar Kay inzwischen gern.
»Ihr werdet zwangsläufig ein sehr einsames Leben führen müssen« , hallten Cals Worte in ihrem Gedächtnis wider. Genau das wäre ihr Schicksal, wenn sie ihren Plan in die Tat umsetzte. Immer auf der Flucht, da sie aus Sicherheitsgründen nie lange an einem Ort bleiben konnte. Nie würde sie eine Familie gründen oder gar Kinder haben dürfen.
Aber eine andere Möglichkeit, die Zusammenfügung des Arrod’Sha zu verhindern, sah sie nicht, denn sie war sich sicher, dass der Rest der Familie niemals nur auf ihre Bitte und ihre logischen Argumente hin auf die Zusammensetzung und Nutzung ihres mächtigen Kristalls verzichten würde. Noch einmal überdachte sie alles, ging das Problem von allen Seiten an und spielte in Gedanken jede nur denkbare Möglichkeit durch. Das Ergebnis blieb immer dasselbe.
Entschlossen, wenn auch mit blutendem Herzen, setzte Kara ihren Plan in die Tat um.
*
»Carana ist weg!«, teilte Cayelu der Familie am nächsten Morgen mit.
»Nicht schon wieder!«, entfuhr es Cal.
»Doch, Dad. Und sie plant keine Rückkehr. Sie hat das hier zurückgelassen.« Er reichte Cal einen Zettel. Der las vor:
»Meine liebe Familie,
ich habe lange über alles nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich es nicht verantworten kann, zur neuen Erweckung des Arrod’Sha beizutragen. Er ist ein zu gefährliches Instrument der Macht. Ich kann und werde nicht helfen, ihn zu aktivieren. Ich gehe und kehre nie zurück. Ich werde alles, was ihr mir beigebracht habt, dazu benutzen, meine Spur zu verwischen. Bitte, sucht nicht nach mir. Es tut mir leid! Ich liebe euch. Aber ich kann nicht anders handeln.
In Liebe, Eure Kara (Carana).«
»Verdammt!«, fluchte Cal, knüllte den Zettel zusammen und schleuderte ihn in die Ecke.
»Tja«, meinte Cayuba schnippisch, »deine Tochter ist genauso verrückt wie ihre Mutter.«
»Halt die Klappe, Cayuba!«, fauchten Cal, Cayelu und Cassilya sie
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