Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Mohammed an dem Anschlag auf das Kino in Frankfurt beteiligt hatte.
Ungläubig sah Darwisch seinen Sohn an, der ganz offenkundig erwartete, der Vater werde sein Tun billigen. Er fühlte sich zutiefst verstört, hatte er doch im Fernsehen Bilder von
Menschen gesehen, die bei dem Anschlag auf das Kino zerfetzt worden waren, unter ihnen Kinder. Der Junge war ein völlig anderer Mensch geworden. Er musste sich eingestehen, dass Mohammed im Grunde genauso geworden war, wie er ihn ursprünglich hatte haben wollen. Hätte er ihm sonst erlaubt, unter Hassans Schutz nach Frankfurt und später nach Pakistan zu gehen? Ihm war klar gewesen, dass er von dort auf keinen Fall als derjenige zurückkehren würde, als der er gegangen war. Doch als er sich jetzt der Wirklichkeit gegenübersah, stieg ihm ein bitterer Geschmack in den Mund.
»Warum musste es ein Kino sein, in dem sich auch Frauen und Kinder befanden …?«, brachte er zaghaft heraus.
»Es waren Feinde. Glaubst du etwa, dass es solche Frauen nicht freut, wenn sie sehen, wie man unsere Leute im Irak oder in Palästina umbringt? Ihre Söhne sind künftige Soldaten, die gegen uns kämpfen werden, wenn sie erwachsen sind. Ich kann nur hoffen, dass du in deinen Überzeugungen nicht wankend geworden bist…«
»Was sagst du da?«
»Was liegt daran, dass es Frauen und Kinder waren? Sieh sie als das, was sie sind: Feinde. Auch Feinde in der Etappe muss man beseitigen. Es fällt nicht schwer zu töten, wenn man weiß, warum man es tut.«
»Und warum tust du es?«
Laila hatte schon seit einer Weile auf der Schwelle gestanden und einen großen Teil der Unterhaltung mitbekommen, ohne dass ihrem Bruder oder Vater ihre Gegenwart bewusst geworden war. Bei Mohammeds letzten Worten waren ihr die Tränen in die Augen getreten. Es war ihr unmöglich, in dem Mörder, der da ihrem Vater gegenübersaß, noch ihren Bruder zu erkennen.
»Laila!«, rief Darwisch überrascht, als er sie sah. »Hinaus! Das ist ein Männergespräch.«
»Ihr nennt euch Männer? Was er da erzählt hat, ist abscheulich! Wie konntest du das nur tun …?«, schrie sie. Vor ihren tränenden Augen verschwamm alles.
»Jetzt aber raus!«, gebot Mohammed wütend. »Raus, bevor ich dir ein paar runterhaue. Und leg dir ein Kopftuch um, wenn du nicht willst, dass ich es tue.«
»Wage es nur! Wage es nur!«, schrie sie.
Durch den Lärm angelockt, traten die Mutter und Fatima ins Wohnzimmer, und Laila flüchtete sich weinend in die Arme der Mutter.
»Mohammed ist ein Mörder! Er hat die armen Leute im Kino in Frankfurt umgebracht … Oh, barmherziger Gott! Warum hast du das zugelassen?«
Fatima senkte teils furchtsam, teils beschämt den Kopf. Sie wusste, dass Mohammed an dem Gemetzel in Frankfurt ebenso beteiligt gewesen war wie ihr erster Mann Jussuf, hatte aber in beiden bis zu diesem Augenblick Helden gesehen. Ihr stellte sich die Wirklichkeit so dar, wie ihr Bruder Hassan und die Gemeinschaft der anderen sie deuteten. Die Tränen der Schwägerin weckten Zweifel in ihr.
Immer noch weinend verließ Laila den Raum und schloss sich in ihrem Zimmer ein. Vergeblich bat die Mutter, sie solle ihr öffnen. Vater und Sohn hatten sich nicht von der Stelle gerührt, während sich Fatima furchtsam mit den Kindern in die Küche geflüchtet hatte. Sie aßen allein und unterhielten sich bis weit in den Nachmittag. Dann suchte der Vater Lailas Zimmer auf und gebot ihr, sofort herauszukommen.
Als sie die Tür öffnete, war ihr verweintes Gesicht so geschwollen, dass man kaum die Augen sehen konnte.
»Wasch dich und komm runter. Wir müssen miteinander reden«, sagte der Vater.
Gehorsam ging sie ins Badezimmer, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und bemühte sich, nicht wieder zu weinen. Als sie schließlich ins Wohnzimmer trat, wo Vater und Bruder sie erwarteten, setzte sie sich erschöpft und gedemütigt mit gesenktem Kopf hin.
»Du wirst mir jetzt zuhören und tun, was ich dir sage, weil du sonst unsere Familie ins Unglück stürzt«, sagte Darwisch einleitend. »Wir befinden uns im Krieg, ob du das wahrhaben willst oder nicht. Der Augenblick ist gekommen, uns zu verteidigen und die Ungläubigen all die Demütigungen und Kränkungen entgelten zu lassen, die sie uns in den vergangenen Jahrhunderten zugefügt haben. Man hat uns ausgegrenzt, ausgebeutet und verachtet, hat versucht, uns zu vernichten, und bedauerlicherweise haben sich viele unserer Führer durch das korrumpieren lassen, was der Westen als seine
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