Das Blut der Unschuldigen: Thriller
guttun.«
Mohammed verließ das Wohnzimmer, um Fatima zu rufen, auch wenn er lieber ohne sie ausgegangen wäre. Ihre Gegenwart war ihm unangenehm, obwohl sie ihm nicht lästig fiel, denn sie hielt sich ganz bewusst stets im Hintergrund. Noch hatten sie das Bett nicht miteinander geteilt, und er sagte sich, dass er das nicht mehr lange hinausschieben konnte. Sowohl seine Angehörigen wie auch die seiner Frau rechneten damit,
dass sie Kinder bekamen. Bei diesem Gedanken stieg ihm ein bitterer Geschmack in den Mund. Fatima war ihm körperlich zuwider, und er konnte sich nicht vorstellen, diesen Akt mit ihr zu vollziehen. Der bloße Gedanke brachte ihn noch mehr auf, und er hatte die größte Lust, in die Küche zu gehen und sie zu schlagen. Doch er nahm sich zusammen. Hassan konnte es als persönliche Kränkung auffassen, wenn er seine Schwester ohne vernünftigen Grund schlug.
»Wir gehen raus«, sagte er und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
Sie wagte nicht zu widersprechen. Stumm sah sie die Kinder an und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, keine Fragen zu stellen, während sie sich die Djellaba glatt strich und ihm zur Haustür folgte.
Mohammed entspannte sich ein wenig beim Anblick der Gassen, in denen er seine Kindheit verbracht hatte und die von den unverwechselbaren Gerüchen erfüllt waren, die er von klein auf kannte.
Sie gingen die steilen Gassen des Albaicín in Richtung auf das Ufer des Genil hinab, wo sich um diese Stunde Gruppen von Jugendlichen in den umliegenden Lokalen trafen.
Bei der Erinnerung an die in Granada verbrachten Jahre, in denen er diese Lokale mit seinen Freunden aufgesucht hatte, stieß er einen tiefen Seufzer aus. Er überlegte, ob er Fatima davon berichten sollte, doch fühlte er sich ihr zu fremd, als dass er ihr seine Erinnerungen und Empfindungen anvertrauen mochte, und so verlor er sich wieder in seinen Gedanken, während er mit den Augen jeden sich neu auftuenden altvertrauten Anblick in sich einsog.
Mit einem Mal fiel ihm ein, dass ganz in der Nähe ein Lokal lag, in dem er sich oft mit seinen Freunden getroffen hatte. Sogleich
lenkte er seine Schritte dorthin und bedauerte dabei zutiefst, dass Fatima bei ihm war. Das Palacio Rojo war kein Ort, an den man seine Ehefrau mitnahm. Dort kamen gewöhnlich die Kleindealer jenes Stadtviertels zusammen, bevor sie sich daranmachten, ihre Kundschaft auf der Straße zu suchen. Auch er war einer von ihnen gewesen, bevor er nach Deutschland gegangen war. Mit sechzehn Jahren hatte er angefangen, Haschisch unter die Leute zu bringen, und sich über das damit verdiente Geld gefreut.
Sein bester Freund Ali hatte ihm den Vorschlag gemacht, dass er den »Stoff« aus Marokko besorgen würde, den Mohammed und andere Freunde gegen eine gute Provision verkaufen sollten. Er hatte das Angebot ohne nachzudenken angenommen und schon bald darauf begonnen, die Ware nicht nur zu verkaufen, sondern auch zu konsumieren. Wenn er den schwärzlichen Rauch des Haschischs einsog, spürte er, wie sich seine Sinne schärften, und er hatte den Eindruck, dass ihm die Welt gehörte. Das Beste aber war, dass ihm seine Tätigkeit als Dealer Türen geöffnet hatte, die ihm sonst verschlossen geblieben wären. Mit einem Mal waren all die jungen Männer aus gutem Hause, die in den vornehmen Stadtvierteln wohnten, sozusagen als Bittsteller zu ihm gekommen, damit er sie mit »Stoff« versorgte, und hatten ihn gelegentlich sogar zu ihren Partys eingeladen. Bei diesen Gelegenheiten hatte er sich mit den hübschen jungen Mädchen bestens amüsiert, die sich im Tausch gegen Haschisch seine Liebkosungen gefallen ließen.
Er beschloss, rasch ins Palacio Rojo zu gehen, um zu sehen, ob er dort einen seiner früheren Bekannten antraf. Unter Umständen konnte er sogar etwas Haschisch kaufen. Genau das würde er brauchen, damit er es über sich brachte, mit Fatima ins Bett zu gehen. Niemand brauchte etwas davon zu merken.
Ihm war bewusst, dass seine Tage bei der Gruppe gezählt wären, wenn Hassan dahinterkäme, dass er wieder seinem alten Laster verfallen war.
Bevor ihn Hassan nach Pakistan geschickt und in seine Organisation aufgenommen hatte, hatte er keinen Zweifel daran gelassen, dass er keine Drogen duldete, und ihm als mahnendes Beispiel bis ins Mark verrottete Ungläubige vorgehalten, die imstande waren, ihre eigene Mutter zu töten, um sich Drogen zu beschaffen.
Doch Hassan war fern, und alle erwarteten von ihm, dass er Fatima beglückte, wozu er sich ausschließlich
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