Das Blut der Unschuldigen: Thriller
›Werte‹ bezeichnet. Aber Allah will, dass das aufhört, und so hat er einigen heiligen Männern den Auftrag erteilt, an die Spitze einer neuen Gemeinschaft von Rechtgläubigen zu treten. Es sind Männer, die sich mit reinem Herzen opfern, damit die Fahne des Islam wieder auf der ganzen Welt wehen kann.«
»Und dazu muss man Unschuldige töten?«, wagte sie mit kaum hörbarer Stimme zu sagen.
»Das verstehst du nicht«, schrie er sie wütend an.
»Da hast du Recht. Das verstehe ich nicht. Ich habe weder Verständnis für Fanatismus noch dafür, dass wir Moslems angeblich nicht gemeinsam mit den Christen leben können. Ich verstehe nicht, warum die Menschen aus dem Unterschied zwischen ihnen unbedingt einen unüberbrückbaren Abgrund machen müssen. All das will mir nicht in den Kopf, weil ich
nicht glaube, dass sich Allah vom Gott der Christen oder der Juden unterscheidet …«
Sie konnte nicht weitersprechen, weil Mohammed mit ungeheurer Schnelligkeit aufgesprungen war und ihr eine so gewaltige Ohrfeige versetzt hatte, dass sie fast vom Stuhl gefallen wäre. »Das ist Lästerung!«, schrie er dabei, erhob die Faust und schlug sie der Schwester mit voller Kraft ins Gesicht.
Der Vater stellte sich dazwischen, damit Mohammed nicht noch einmal zuschlagen konnte. Die Situation war seiner Kontrolle entglitten.
Wieder kam die Mutter herein und schrie laut auf, als sie sah, dass ihre Tochter aus dem Mund und einer aufgeplatzten Augenbraue blutete.
»Allah erbarme sich unser! Was habt ihr getan?«, schrie sie entsetzt und schloss Laila in die Arme.
»Das ist eure Schuld!«, brüllte Mohammed die Eltern an. »Ihr hättet ihr nie erlauben dürfen, so weit zu gehen.« An die Mutter gewandt fügte er hinzu: »Du hast dem Vater Lailas Fehler verschwiegen. Du allein trägst die Verantwortung dafür.«
Entsetzt senkte sie den Kopf. In diesem Mann, der wilde Drohungen ausstieß, erkannte sie ihren Sohn nicht wieder. Doch wagte sie weder, etwas dagegen zu sagen, noch unternahm sie einen Versuch, sich zu verteidigen, weil zu befürchten stand, dass sie Mohammeds maßlose Wut mit jedem Wort noch steigerte. Außerdem wusste sie nicht, wie ihr Mann reagieren würde. Bisher hatte er weder sie noch die Tochter je geschlagen, jetzt aber sah sie in seinen Augen ein Glitzern, das sie nicht zu deuten vermochte. Die Arme um Laila gelegt und bemüht, ihre eigenen Tränen zurückzuhalten, war sie sich bewusst, dass ihre einzige Möglichkeit darin bestand, die Tochter
mit dem eigenen Leib zu schützen, falls Mohammed weiter auf sie einprügeln wollte.
Die Sekunden dehnten sich, bis ihr Mann schließlich sagte: »Bring sie auf ihr Zimmer und komm erst wieder, wenn ich es dir sage. Mohammed hat Recht; sie muss gehorchen.«
Mit großer Mühe gelang es ihr, Laila aufzurichten und aus dem Zimmer zu führen. Fatima, die in der Küchentür stand, trat hinzu und half ihr, Laila nach oben zu bringen. Sie verständigten sich wortlos und legten sie auf ihr Bett.
Fatima setzte sich neben die Schwägerin, während die Mutter das Zimmer verließ, um Verbandmaterial zu holen.
Laila konnte kaum sprechen. Sie hatte Kopfschmerzen, sah alles verschwommen, und ihre Lippen waren geschwollen. Während Fatima Lailas Kopf hielt, säuberte die Mutter behutsam die Wunden. Dann gab sie ihr ein Schmerzmittel und fragte Fatima leise: »Meinst du, wir sollten einen Arzt kommen lassen?«
»Nein, ja nicht. Das wird schon gut. Wenn ein Arzt käme, könnte die Sache an die Öffentlichkeit kommen. Das wäre für alle entsetzlich. Keine Sorge, das heilt von selbst.«
Die Mutter nickte stumm. Zwar deckte Fatima damit den Täter, schützte aber zugleich die ganze Familie. Obwohl der Mutter das bewusst war, spürte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht zu tun wagte, was sie eigentlich für richtig hielt.
»Wir sollten ihr etwas geben, damit sie schlafen kann«, schlug Fatima vor. »Morgen geht es ihr schon besser.«
»Ich weiß nicht … vielleicht ist es besser zu warten … Geh nach unten zu deinen Kindern. Ich bleibe hier bei Laila.«
Geräuschlos verließ Fatima das Zimmer. Auf keinen Fall wollte sie die Aufmerksamkeit ihres Mannes oder Schwiegervaters auf sich lenken. Sie hatte Angst vor Mohammed, Angst vor dem, was in diesem Hause geschah.
Die Kinder spielten immer noch auf dem Küchenfußboden mit ihren Plastikautos. Da die Mutter sie ermahnt hatte, den neuen Vater, vor dem sie ohnehin Angst hatten, nicht zu belästigen und schon gar nicht zu
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