Das Blut der Unschuldigen: Thriller
bevorstand, nicht allzu unangenehm sein werde.
11
Mit höchster Konzentration las Sagardía die Blätter noch einmal durch, die ihm Bischof Pelizzoli gegeben hatte. Er hatte jedes der aus dem Feuer geretteten Wörter einzeln auf ein Stück Papier geschrieben und sie nebeneinander auf den Tisch gelegt.
»Ich stecke in einer Sackgasse«, gestand Sagardía. »Ich weiß einfach nicht weiter. Was hältst du von der Sache?«, wandte er sich an Ignacio Aguirre.
Aguirre sah ihn offen an und sagte mit einem tiefen Seufzer: »Ich will versuchen, dir zu helfen, obwohl ich das eigentlich nicht dürfte.«
»Aber … warum?«, wollte Sagardía wissen und sah den alten Jesuiten bekümmert an.
»Auf manche Fragen werde ich dir keine Antwort geben, weil ich nicht kann, nicht darf oder nicht will. Doch ich werde jedenfalls versuchen, dir zu helfen. Lass uns also anfangen. Sag mir, welche Schlussfolgerungen du gezogen hast.«
»Genau da liegt der Hund begraben. Bisher keine einzige. Ich tappe völlig im Dunkeln. Zwischen den Wörtern scheint nicht die geringste Beziehung zu bestehen: ›Karakoz‹, ›Grab‹, ›römisches Kreuz‹, ›Freitag‹, ›Saint-Pons‹, ›Lothar‹, ›Kreuz‹ … Ähnlich verhält es sich mit den aus dem Zusammenhang gerissenen Satzfragmenten: ›unser Himmel steht nur denen offen, die keine Kreaturen …‹, ›Blut wird fließen im Herzen des Heiligen‹ … Ich kann darin keinen Sinn erkennen, trotzdem klingt es bedrohlich, ohne dass ich zu sagen wüsste, warum.«
Aguirre konzentrierte sich auf die Aufgabe, während Sagardía mehr zu sich selbst als zu ihm sprach. »Ich kann mir nicht vorstellen, was für eine Art Papiere oder Dokumente das gewesen sein könnten, aber ich bin sicher, dass sie nicht das Geringste mit dem Koran zu tun haben. Sie stammen auch aus keinem Buch, denn ein Blick auf die Fotokopien zeigt, dass manche der Wörter von Hand geschrieben sind, allerdings offensichtlich nicht alle von demselben Menschen. Ich habe schon überlegt, ob ich ein graphologisches Gutachten anfordern soll. Klar ist lediglich, was ›Karakoz‹ zu bedeuten hat. So heißt ein Waffenschieber.«
»Was für ein Mensch ist er?«, fragte Aguirre.
»Eine äußerst zwielichtige Gestalt. Ein Serbobosnier, der an den Kampfhandlungen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien teilgenommen hat und sich jetzt mit Waffenhandel beschäftigt. Den Geheimdienstberichten zufolge kann er alles liefern, was seine Kunden haben wollen – es ist eine reine Frage des Preises. Von Interpol wissen wir, dass er in den vergangenen Jahren Islamistengruppen ausgerüstet hat, und es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass der beim Anschlag im Kino von Frankfurt verwendete Sprengstoff von ihm stammt.«
»Dann wäre also dieser Karakoz die einzige einigermaßen sichere Spur, die du hast. Hat man ihn sich schon einmal vorgenommen?«
»Wie es aussieht, wollen die Leute das nicht tun, sondern ihn lieber unauffällig im Auge behalten, um zu sehen, ob er sie auf eine brauchbare Fährte führt. Aber das dürfte alles andere als einfach sein. Der Mann bewegt sich durch die Länder dieser Erde wie ein Fisch im Wasser – er taucht auf und verschwindet, ohne die geringste Spur zu hinterlassen.«
»Er ist eins der beiden Enden der Schnur.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich stelle mir den Fall wie eine verwickelte Schnur vor, an deren einem Ende wir Karakoz haben. Wenn wir ihr folgen, gelangen wir an das andere Ende.«
»Mein Auftrag beschränkt sich darauf, über den Sinn dieser Wörter nachzudenken.«
»Zweifellos steckt der Plan für ein weiteres Attentat dahinter. Nur wissen wir nicht, wo, wann und auf welche Weise es stattfinden soll.«
Diese Eröffnung traf Sagardía wie ein Keulenhieb. Verblüfft sah er Aguirre an. Der alte Jesuit konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Das liegt doch auf der Hand, mein Junge. Wenn dich deine eigenen Probleme nicht so sehr daran hinderten, klar zu sehen, wäre dir das längst ebenso aufgefallen wie Panetta und Lucas. So dumm kannst du doch nicht sein! Man braucht nicht für einen Geheimdienst zu arbeiten, um zu wissen, dass ein bis in die Einzelheiten ausgetüftelter Plan für eine feindselige Auseinandersetzung zwischen dem Islam und den christlichen Ländern existiert. Bedauerlicherweise finden die islamistischen Fanatiker Verbündete in gewissen Kreisen der westlichen Welt,
deren Interessen ein neuer ›Kalter Krieg‹ mehr als gelegen käme. Allerdings dürfte dieser
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