Das Blut der Unschuldigen: Thriller
ihm nicht, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Wie hatten die Leute es geschafft, so einfach an seine Frau heranzukommen? Er hielt das für besorgniserregend, auch wenn die betreffende Person für die Gruppe arbeitete. Er nahm sich vor, die Sicherheitsvorkehrungen für seine Angehörigen zu verschärfen.
Vielleicht war es überhaupt besser, etwas wachsamer zu sein, damit ihm nicht seine Sympathie für die Leute der Gruppe noch den Hals brach. Er fand es durchaus in Ordnung, dass sie den Christen so viel wie möglich schadeten, denn das verdienten die seiner Überzeugung nach wegen ihrer Überheblichkeit. Doch war er in erster Linie Geschäftsmann, und so zielte er vor allem darauf ab, möglichst viel von seinen Waren abzusetzen, ob das nun Sprengstoff war oder Waffen der unterschiedlichsten Arten und Kaliber.
Zwar war die Reise nach Tschetschenien unaufschiebbar,
doch konnte er sie eigentlich ebenso gut Dušan überlassen. Das würde es ihm ermöglichen, sich mit dem Auftrag zu beschäftigen, den ihm die Gruppe in dem seiner Frau auf dem Markt zugespielten Schreiben erteilt hatte. Gerade jetzt konnte er nicht alles an Waffen liefern, was man von ihm haben wollte, doch ließe sich das ohne Schwierigkeiten besorgen. In den ehemaligen Sowjetrepubliken bekam man alles, sogar Raketen mit Atomsprengkopf.
Unruhig begann er im Raum auf und ab zu gehen. Gelegentlich blieb er am Fenster stehen und sah auf die Straße hinaus.
Allmählich begannen die Wunden zu vernarben, die der Krieg der Stadt Belgrad geschlagen hatte. Die Völkergemeinschaft bemühte sich, die Spuren der Kämpfe zu tilgen, und die Menschen lernten wieder zu lächeln, weil sie in Frieden leben konnten.
Er musste an Sarajevo denken. Vor dem Krieg hatte er in der damaligen Hauptstadt Bosniens gelebt und war später unter falschem Namen dorthin zurückgekehrt, um mit Waffen zu handeln.
Der Anblick verschleierter Frauen war dort alltäglich, und selbst Jüngere trugen den Schleier. Den Bewohnern der Stadt war bewusst, dass sie ihre Rettung nicht den Brigaden der moslemischen Brüder zu verdanken hatten, die gekommen waren, um an ihrer Seite zu kämpfen. Lediglich das Eingreifen westlicher Länder, nämlich der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten, hatte der von den Serben eingeleiteten ethnischen Säuberung ein Ende bereitet. Ohne diese als Einmischung empfundene Intervention wäre man mit den Moslems fertig geworden. Ihm war das letzten Endes gleich, schließlich waren inzwischen viele von ihnen seine besten Kunden. Vom
geschäftlichen Standpunkt aus war es durchaus begrüßenswert, dass man sie nicht ausgemerzt hatte.
Dennoch schuldeten die Serben nach Karakoz’ fester Überzeugung den Christen nicht das Mindeste. Wie er die Dinge sah, hatten sie zugelassen, dass man die Serben abschlachtete; hatten nichts dagegen unternommen, dass sie starben, weil sie sich ganz und gar auf die Seite der Bosnier gestellt hatten. Aber damit war jetzt Schluss, sagte er sich. Jetzt war er Geschäftsmann. Sein Geschäft war der Tod anderer, und es war ihm gleich, wer da starb und warum. Er hatte einen ganz besonderen Kunden, der nie am Preis herummäkelte, ganz gleich ob es um Waffen, Sprengstoff oder um Auftragsmörder ging. Wie sich aber der jüngste Auftrag ausführen lassen sollte, überstieg sein Vorstellungsvermögen.
Er setzte sich wieder an den Schreibtisch. Der Brief, den ihm seine Frau gegeben hatte, lag ihm schwer im Magen. Die Gruppe hatte ihm mitgeteilt, dass sein Name auf einem der in Frankfurt gefundenen Papierfetzen gestanden habe. Die Hornochsen hatten Pfusch abgeliefert. War es denn wirklich so schwer, dafür zu sorgen, dass beim Verbrennen von Papieren nichts als Asche übrig blieb?
Schon seit Jahren war ihm Interpol auf den Fersen, und vor einigen Monaten war er auch ins Fadenkreuz des Brüsseler Zentrums geraten, das die Europäische Union zur Terrorismusabwehr eingerichtet hatte. Ja, er musste unbedingt doppelt auf der Hut sein, aber ohne deswegen seine Tätigkeit einzustellen – ganz von der finanziellen Einbuße abgesehen, würden seine Männer jeden Respekt vor ihm verlieren, wenn er zeigte, dass er Angst hatte.
Es überraschte Bischof Pelizzoli in keiner Weise, dass Sagardía in den Vatikan zurückgekehrt war. Als er vom Flughafen Fiumicino aus angerufen und um die Erlaubnis gebeten hatte, einige Tage in Rom bleiben und in seinem früheren Büro arbeiten zu dürfen, war dem Bischof klar gewesen, dass der Jesuit trotz seiner
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