Das Blut der Unschuldigen: Thriller
hier sind.«
»Danke«, sagte Sagardía knapp, ohne seinen Ärger ganz herunterschlucken zu können. Die Erkenntnis, dass ihm »sein« Büro nicht mehr gehörte, hatte ihm einen Stich gegeben.
»Grämen Sie sich deswegen nicht.«
»Ist schon gut.«
»Mich können Sie nicht täuschen. Aber Sie sind fortgegangen, und wir müssen hier weitermachen.«
»Dafür habe ich volles Verständnis, Exzellenz.«
»Das freut mich. Und jetzt an die Arbeit.«
Der Bischof ließ Domenico Gabrielli kommen. Er wusste, dass er dem Jesuiten gegenüber dem Dominikaner den Rücken stärken musste, vor allem, weil Gabrielli kein Verständnis für Sagardía und dessen Glaubenskrise hatte. Für ihn hatte es nie etwas Herrlicheres gegeben als den Dienst an der Kirche, und daher war es seiner Ansicht nach ungehörig, dass ein Priester Zweifel hatte. Täglich dankte er Gott dafür, dass dieser ihn seine Berufung zum Priesteramt hatte erkennen lassen und er das Vorrecht genießen durfte, Ihm zu dienen. Hinzu kam, dass er es als großes Privileg empfand, seine Aufgabe im Vatikan erledigen zu dürfen, und zwar im zweiten Stock, wo alles, was auf der Welt geschah, daraufhin analysiert wurde, wie es sich auf die Kirche auswirken konnte.
Der Bischof verwandte eine volle Stunde darauf, die beiden in ihren gemeinsamen Auftrag einzuweisen. Dann forderte er sie auf, ihn angesichts dessen, dass so viel auf dem Spiel stand, Seite an Seite zu erledigen.
Als die beiden miteinander allein waren, erkannte Sagardía an der Art, wie ihn der Dominikaner musterte, dass dieser nach wie vor nicht begriff, warum er zurückgekommen war. Genau genommen wusste er es selbst nicht. Er ließ sich in jüngster Zeit zu sehr von seinen Impulsen leiten, doch in diesem speziellen Fall war der Einfluss seines einstigen Lehrmeisters Pater Ignacio entscheidend gewesen. Er hatte ihm die Wirklichkeit gezeigt, der er sich zu entziehen versucht hatte, und in
dieser Wirklichkeit ging es darum, die Aufgabe zu erledigen, die ihm im Zusammenhang mit dem Anschlag islamistischer Terroristen in Frankfurt aufgetragen war.
14
Um Unauffälligkeit bemüht strebte ein hochgewachsener, muskulöser junger Mann mit dunklen Locken und pechschwarzen Augen eiligen Schritts eine der abschüssigen Gassen empor, die ins Herz des Albaicín führen. Da er nicht erkannt werden wollte, hatte er bis nach Einbruch der Dämmerung gewartet, um sich dem Haus der Familie Amir zu nähern. Er hoffte, Mohammed daheim anzutreffen. Ein Freund, der nach wie vor im Palacio Rojo verkehrte, hatte ihm von dessen Rückkehr nach Granada berichtet. Ihn beruhigte das Bewusstsein, dass Darwisch, das Familienoberhaupt, nicht im Hause war, denn er arbeitete als Nachtwächter. Er fürchtete ihn, weil er sich erinnerte, wie ihm dieser früher sein Verhalten ebenso vorgehalten hatte wie seinem Sohn. Genau genommen hatte er sich nach Kräften bemüht, die beiden Jungen auseinanderzubringen; hauptsächlich deshalb hatte er seinem Sohn Mohammed zugeredet, in Frankfurt weiterzustudieren.
Es ging ihm durch den Kopf, wie überrascht er gewesen war, als ihm Omar die Mitteilung geschickt hatte, er müsse ihn dringend sprechen. Nicht jeder wurde bei Omar vorgelassen. Es war eine große Ehre, war er doch der höchste Vertreter der Gruppe in Spanien und sprach nie mit einfachen Mudschahedin, wie er einer war.
Wie so viele andere hatte Omar ihn nicht nur aus dem seelischen Elend herausgeholt, in dem er lebte, sondern auch dafür gesorgt, dass sich seine Lebensumstände deutlich verbesserten. Ganz davon abgesehen hatte er seinem Leben einen Sinn gegeben, ihn an die Existenz des allmächtigen Allah und die Worte des Propheten Mohammed erinnert.
So war es gekommen, dass aus dem Gelegenheitsdealer ein Krieger geworden war, entschlossen zu töten und, wenn es sein musste, auch zu sterben.
Anfangs hatte ihm Omar einige unbedeutende Aufträge übertragen, ihn als Boten zwischen verschiedenen Zellen der Gruppe eingesetzt. Dann hatte er ihn eines Tages gefragt, wie weit zu gehen er bereit sei. Die Antwort des jungen Mannes schien ihn befriedigt zu haben, denn er hatte ihn nach Marokko geschickt, wo er gemeinsam mit einigen anderen Brüdern ein von Ausländern besuchtes Hotel in Tanger in die Luft sprengen sollte. Die Operation war ein voller Erfolg gewesen. Fünfzehn Touristen waren dabei umgekommen: acht Spanier, zwei Amerikaner, drei Briten und ein jung verheiratetes französisches Paar.
Die Polizei war ihnen nicht auf die Fährte
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