Das Blut der Unschuldigen: Thriller
persönlichen Krise, für die er noch keine Lösung gefunden hatte. entschlossen war, seine Aufgabe ernsthaft in Angriff zu nehmen und den Fall zu lösen.
Als Sagardía in das Büro des Bischofs trat, begrüßte ihn dieser, als hätten sie einander erst am Vortag gesehen. Er berichtete in Einzelheiten von seinem Besuch in Brüssel und erklärte, warum er den Plan einer Reise nach Belgrad vorerst aufgegeben hatte. »Es hat keinen Sinn, dort nach Karakoz zu fragen. Falls ich hinfahre, muss das heimlich geschehen, sonst verschwende ich nur meine Zeit.«
»Was meinen Sie mit ›heimlich‹?«, fragte der Bischof verwundert. »Das müssen Sie mir näher erklären«,
»Ich denke, dass ich unter Umständen etwas über den Mann in Erfahrung bringen könnte, wenn ich mich in Belgrad aufhielte, ohne dass jemand davon weiß. Aber selbst dann bin ich nicht sicher, dass sich der Aufwand lohnt. Interpol und das Brüsseler Zentrum verfügen über angemessene Mittel, ihn auf Schritt und Tritt zu überwachen. Da sie genau wissen, wann er sich wo aufhält, ist mein ursprüngliches Vorhaben, nach Belgrad zu fahren, genau genommen hinfällig geworden.«
»Und was schlagen Sie also vor?«, fragte er.
»Ich denke, ich sollte mich einige Tage hier aufhalten. In Bilbao stehen mir nicht die Hilfsmittel und Einrichtungen zu Gebote, die ich brauche, um die Hintergründe des Falles aufzuklären.«
»Die Entscheidung liegt ausschließlich bei Ihnen. Tun Sie,
was Sie für nötig halten. Haben Sie Pater Ignacio von Ihrem Vorhaben in Kenntnis gesetzt?«
»Bisher nicht. Ich bin vom Flughafen sofort hergekommen.«
»Vergessen Sie nicht, es noch zu tun. Wo werden Sie wohnen?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Sie können hierbleiben …«
»Ich überlege mir das noch. Jetzt würde ich gern in unserem Archiv und im Dokumentationszentrum etwas suchen … Ich habe nicht den Eindruck, dass die aus dem Feuer geretteten Wörter zur Denkweise der Islamisten passen, aber vermutlich weiß Pater Domenico das besser als ich.«
»Und was denken Sie?«
»Die ganze Sache sieht sehr sonderbar aus. Es kommt mir so vor, als läge die Lösung unmittelbar vor unseren Augen, ohne dass wir sie zu erkennen vermögen.«
»Und worin könnte die bestehen?«
»Genau das weiß ich nicht! Diese Sätze … Ich habe noch einmal im Koran gelesen, in Texten arabischer Denker – das ist weder der Stil dieser Leute noch ihre Ausdrucksweise.«
»Aber im Brüsseler Zentrum zweifelt man nicht im Mindesten daran, dass die Gruppe das Attentat von Frankfurt verübt hat. Panetta wie Lucas haben sich unmissverständlich in diesem Sinne geäußert. Ganz davon abgesehen, hat sich die Gruppe , wie sie das immer tut, zu dem Anschlag bekannt.«
»Auch ich habe in dieser Hinsicht keinen Zweifel, aber … Ich weiß nicht recht. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass mehr dahintersteckt, sogar weit mehr. Daher bitte ich Sie um die Erlaubnis, eine Weile hierzubleiben. Ich hoffe, dass ich nicht allzu lange brauche, denn auch wenn Sie das nicht glauben mögen,
ich sehne mich nach dem Leben, das ich in Bilbao begonnen habe. Meine Amtsbrüder dort sind einfach großartig.«
»Tun Sie, was Sie für das Beste halten, um bei Ihrem Auftrag voranzukommen. Legen Sie sich vor allem nicht zeitlich fest, damit Sie nicht unter Druck geraten.«
»Ich hoffe, dass ich nicht zu lange bleiben muss.«
»Wenn es Ihnen recht ist, rufe ich jetzt Pater Domenico.«
»Danke.«
»Haben Sie eigentlich ihm gegenüber nach wie vor Vorbehalte?«
»Ganz und gar nicht. Sie wissen, dass ich ihn schätze, auch wenn wir bei der Arbeit unterschiedlich vorgehen.«
»Ja, das stimmt. Ein Jesuit und ein Dominikaner … aber beide gleichermaßen tüchtig im Dienst der Kirche.«
Es hatte ziemlich lange gedauert und Sagardías Geduld ziemlich strapaziert, bis er sich mit Domenico Gabrielli verstanden hatte. Dieser außergewöhnlich zurückhaltende und argwöhnische Amtsbruder ging in seiner Aufgabe vollständig auf und erledigte sie mit der peinlichsten Genauigkeit. Sagardías Ansicht nach verfügte Gabrielli über zu wenig Vorstellungskraft, während dieser umgekehrt überzeugt war, dass mit Sagardía gelegentlich die Fantasie durchging.
»Exzellenz, kann ich in meinem früheren Büro arbeiten?«
»Das wird, fürchte ich, nicht möglich sein, denn wir haben die Abteilung umstrukturiert. Aber ich werde dafür sorgen, dass man Ihnen einen Ort zur Verfügung stellt, an dem Sie in Ruhe arbeiten können, solange Sie
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