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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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würde. Sie wollte ihn heiraten, wusste, dass ihr Schicksal mit dem seinen unauflösbar verknüpft war. In Wirklichkeit gehörte sie sich schon lange nicht mehr selbst. Das war ihr an jenem Abend in Rom aufgegangen, als sie sich ihm gegenüber wie ein Nichts vorgekommen war. Seither war es ihr nicht gelungen, ihr Selbstwertgefühl zurückzugewinnen. Möglicherweise lag darin der Grund
dafür, dass sie sich nicht glücklich fühlte. Sie wusste ja nicht einmal, ob er sie wirklich liebte.

35
    Von der schweigsamen Fatima unterstützt, hatte die Mutter Kuskus mit Hammelfleisch zubereitet.
    Der Vater hatte Laila gebeten, an diesem Samstag zu Hause zu bleiben, um mit ihnen gemeinsam ihren Vetter Mustafa zu begrüßen, der aus Marokko gekommen war. Mohammed hatte gefürchtet, sie werde Nein sagen, doch schien sie bereit, an der Mahlzeit im Familienkreis teilzunehmen.
    Mustafa traf im Lauf des Nachmittags ein. Dafür, dass er, wie er sagte, in Spanien Arbeit suchen wollte, hatte er wenig Gepäck mit.
    »Das mit der Arbeit ist hier nicht so einfach«, machte ihm Mohammed klar. »Die Behörden achten immer mehr darauf, dass man Papiere hat. Ganz davon abgesehen führen sich viele Spanier ziemlich rassistisch auf. Denen sind Lateinamerikaner lieber, weil das Christen sind wie sie selbst.«
    Mohammeds Vater versicherte Mustafa, dass man alles tun werde, um ihm zu helfen. Auf jeden Fall könne er bei ihnen wohnen, solange es nötig sei. »Du bist der Sohn meines Bruders, Blut von meinem Blut, und daher bist du hier zu Hause. Hier gibt es keinen Luxus, aber doch die eine oder andere Bequemlichkeit.«
    Während Mustafa dem Kuskus kräftig zusprach, berichtete er über die jüngsten Ereignisse in der Verwandtschaft: Heiraten, Todesfälle, Beschneidungsfeiern, Arbeitsverhältnisse.
    »Isst du immer mit den Männern zusammen?«, fragte er Laila unvermittelt.
    »Hast du etwas dagegen, dass ich mich im eigenen Haus zum Essen an den Tisch setze?«
    »Nein. Aber … ich sehe, dass uns deine Mutter bedient, wie sich das für eine gute Ehefrau gehört, und deine Schwägerin ihr dabei hilft. Aber keine von beiden hat sich zu uns gesetzt.«
    Während Mohammeds Mutter ihrem Mann wegen dieser Äußerung einen flammenden Blick zuwarf, rutschte Mohammed unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her.
    »Wir sind hier in Spanien, Mustafa«, gab Laila zur Antwort. »Ich habe schon seit Jahren die spanische Staatsbürgerschaft. Wir kennen keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Hier haben alle die gleichen Rechte und Pflichten. Es macht mir nichts aus, beim Bedienen zu helfen, ich tue das sogar gern, aber ich sehe keinen Grund, warum sich meine Mutter und Fatima nicht mit uns an den Tisch setzen sollten. Was ist dagegen einzuwenden, dass wir gemeinsam essen? Du glaubst doch wohl nicht, dass sich Allah daran stören würde?«
    »Die Überlieferung ist geheiligtes Gesetz, und unsere Gesetze müssen wir achten. Auch wenn du eine andere Staatsangehörigkeit angenommen hast, bist du, wer du immer warst: Laila, Tochter deiner Eltern, Marokkanerin und Moslemin. Oder solltest du unseren Glauben aufgegeben haben?«
    »Keineswegs. Ich spüre Tag für Tag, dass mir Allah die Kraft gibt, zu leben und meine Arbeit zu tun.«
    »Und glaubst du, dass es zu deinen Aufgaben gehört, mit der Überlieferung zu brechen?«
    »Wir leben im 21. Jahrhundert. Die Uhr lässt sich nicht anhalten. Christen wie Juden haben ihre Überlieferungen angepasst, und auch wir können das nicht länger hinauszögern. Sag mir doch – würdest du ins Krankenhaus gehen, wenn du Krebs hättest? Würdest du dich operieren und nach dem neuesten Stand der Medizin behandeln lassen? Oder würde es dir genügen, dass man dir einen Kräutertrank verabreicht, um dich zu heilen?«
    »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst«, gab Mustafa übellaunig zurück.
    »Nun, wenn du an einer schweren Krankheit littest, würdest du die Behandlungsmethoden unseres Jahrhunderts akzeptieren und nicht darauf bestehen zu sterben, wie das früher unausweichlich war, als man solche Leiden mit einem Aderlass zu heilen versuchte. Wir müssen unsere Gepflogenheiten der heutigen Welt anpassen. Das hat nicht das Geringste mit Glauben oder Frömmigkeit zu tun. Ich bin gläubig, aber wenn ich krank werde, gehe ich zum Arzt, wenn ich reise, setze ich mich nicht auf einen Esel, um von einem Ort zum anderen zu gelangen, sondern nehme das Flugzeug, den Zug, den Bus, das Schiff, so wie du das übrigens auch getan hast, um

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