Das Blut der Unschuldigen: Thriller
dass das nicht stimmt! Was sie heute Abend gesagt hat, ist Lästerung. Ich verstehe, dass du sie liebst,
doch darf dich das nicht beeinflussen. Je früher wir die Sache in Ordnung bringen, desto besser. Du hättest es selbst tun müssen, aber man hat mir schon gesagt, dass … Du bist ein wichtiger Mann und darfst nicht mit den Gesetzen in Konflikt kommen. Aber hier geht es um die Familie. Dein Vater kann sich nicht durchsetzen. Das war schon immer so, hat mir mein Vater gesagt. Dabei ist er der Ältere. Weil von ihm nichts zu erwarten ist, wenden sich alle Angehörigen an meinen Vater, wenn es darum geht, Gerechtigkeit zu schaffen.«
»Mein Vater kann sich sehr wohl durchsetzen«, begehrte Mohammed auf. Er fühlte sich herabgewürdigt.
»Deine Schwester müsste längst tot sein. Du hast keine Möglichkeit, dafür zu sorgen. Aber was ist mit ihm?«
»Würdest du deine eigene Tochter umbringen? Ich nehme an, dass du diese Frage nicht beantworten kannst, denn du bist noch jung und hast keine Kinder.«
»Ich habe drei Schwestern und würde nicht zögern, ihnen die Kehle durchzuschneiden, wenn sie sich aufführten wie Laila. Dazu aber wird es nie kommen, denn meine Mutter hat sie gut erzogen, und sie haben bereits alle einen Mann.«
»Ich dachte, die sind jünger als du.«
»Das sind sie auch. Die Älteste ist achtzehn, die nächste siebzehn und die Kleine vierzehn. Mein Vater hat ihnen schon Männer ausgesucht, als sie noch kleine Mädchen waren, und sie haben das hingenommen, wie sich das gehört. Warum nur habt ihr Laila nicht verheiratet? Meine Mutter sagt, wenn ihr sie uns geschickt hättet, hätte sie selbst dafür gesorgt. Sie kann deine Mutter nicht verstehen.«
»Ich lass dich jetzt allein, damit du dich ausruhen kannst.«
Mohammed hatte keine Lust, das Gespräch mit dem Vetter fortzusetzen. Auch wenn ihm Lailas Verhalten ein Gräuel war,
fand er Mustafas Art, an ihr und seinen Eltern Kritik zu üben, unerträglich.
»Ich bleibe nicht lange, vielleicht eine Woche«, teilte ihm Mustafa mit.
»Du brauchst dich nicht zu beeilen, vielleicht …« Mohammed verstummte.
»Ich werde tun, was zu tun ich gekommen bin«, teilte ihm Mustafa mit.
Ohne zu antworten verließ Mohammed den Raum.
36
Graf Raymond de la Pallissière leitete die allwöchentliche Sitzung des Verwaltungsrats der Stiftung ›Katharergedächtnis‹ und antwortete auf die besorgten Fragen der Männer, die seine Vorstellungen teilten. Gleich ihm empfanden sie der katholischen Kirche gegenüber nichts als glühenden Hass und vertrauten auf seinen Plan, Rom einen schweren Schlag zu versetzen, obwohl keiner von ihnen wusste, worin dieser Schlag bestehen sollte. Sie waren auch nicht begierig darauf, das zu erfahren, wohl aber wollten sie wissen, wann es so weit sein werde.
Alle verstummten, als der Butler in die Bibliothek geeilt kam, wo die Sitzung stattfand. Er trat zu d’Amis und flüsterte ihm etwas zu, das offenbar von großer Tragweite war, denn alle sahen, wie dieser erbleichte.
»Meine Herren … bitte entschuldigen Sie mich einige Minuten.«
Von Edward gefolgt, verließ er die Bibliothek.
Sichtlich übel gelaunt erwartete ihn Catherine stehend. Mit fragendem Blick trat er auf sie zu.
»Ich habe es mir überlegt«, sagte sie, als sei das eine hinreichende Erklärung für ihren Besuch.
»Du bist willkommen.«
»Danke.«
»Edward, begleiten Sie meine Tochter Catherine in die grüne Suite und bitten Sie eins der Mädchen, ihr behilflich zu sein.«
»Ich bleibe nicht lange.«
»Die Burg steht vollständig zu deiner Verfügung. Du kannst bleiben, solange du möchtest. Wenn du gestattest, werde ich die Sitzung mit einigen Verwaltungsratsmitgliedern meiner Stiftung fortführen. Ich hoffe, dass sie nicht mehr lange dauert.«
»Ich möchte dir nicht zur Last fallen.«
»Das tust du nicht. Jetzt aber entschuldige mich bitte.«
Verwirrt und zugleich befriedigt kehrte er in die Bibliothek zurück. Er würde sich wohl an Catherines Sprunghaftigkeit gewöhnen müssen. In dieser Hinsicht glich sie ihrer Mutter durchaus.
Catherine folgte Edward in den ersten Stock, wo dieser die Tür zu einem mit blassgrüner Seide ausgeschlagenen Raum öffnete.
»Ich schicke Ihnen gleich ein Mädchen, das Ihnen beim Auspacken helfen wird.«
»Nicht nötig, das kann ich allein.«
»Aber vielleicht brauchen Sie etwas …«
»Nein, nichts. Danke.«
Als er hinausging, atmete Catherine erleichtert auf und sah sich um.
Der Raum enthielt außer einem
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