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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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nachstehen.«
    »Aber wo ist sie? Was glaubst du?«, schrie David förmlich.
    Nach dem Gespräch mit seinem Sohn fühlte sich Arnaud noch bekümmerter als zuvor. Er kam sich nutzlos vor, verloren, wusste nicht, was er noch tun konnte. Inge Schmid sah ihn schweigend an, während sie den Tisch deckte. Nach einer Weile suchte er sein Zimmer auf. Er musste allein sein.
    Eine Stunde später klopfte sie leise an seine Tür.
    »Günter schläft. Wollen wir essen? Ich weiß, dass es keinen Grund zum Feiern gibt, aber ich habe mit den Äpfeln, die Sie gekauft haben, einen Strudel gebacken. Hoffentlich schmeckt er Ihnen. Ich bin keine besonders gute Köchin, backe aber gern.«
    Während des Essens klingelte es an der Tür. Beide fuhren erschrocken hoch. Sie stand auf und öffnete. Er hörte eine Männerstimme, und bald darauf trat sie mit einem jungen Mann in Wehrmachtsuniform ein.
    »Mein Bruder Gustav. Er ist der Einzige aus der Familie, mit dem ich noch Verbindung habe. Von Zeit zu Zeit überrascht er mich mit seinem Besuch, wenn er ein paar Tage Urlaub hat.«
    Die Männer schüttelten einander die Hand, und Gustav Schmid setzte sich mit ihnen zu Tisch. Sie erklärte dem Bruder, wer Arnaud war und warum er sich hier aufhielt, worauf ihm Gustav die eine oder andere Frage stellte. Die Angelegenheit schien ihn zu interessieren.
    »So sehr ich bedaure, was Sie da erlebt haben, so wenig erstaunt es mich. Hier in Deutschland gehen Dinge vor sich …«
    Dann setzte er seine Schwester über das ins Bild, was es aus
der Familie zu berichten gab. Die kleine Schwester Ingrid, die noch zur Schule ging, sagte er, werde von den Eltern ganz und gar im nationalsozialistischen Geist erzogen, während die Mutter von Tag zu Tag fanatischer werde. Sie bete den Führer förmlich an und habe sein Bild in einer Nische aufgestellt, als wäre er ein Heiliger. Der Vater beklage sich darüber, wie viel Zeit nötig sei, die Straßen von Unrat zu reinigen. »Damit meint er Juden, Kommunisten, Homosexuelle … kurz gesagt, jeden, der kein Nazi ist.«
    Arnaud erkundigte sich bei dem jungen Mann nach dessen Meinung über das, was in Deutschland geschah.
    »Ich wollte schon immer Soldat werden, bevor das alles passiert ist. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass mir unsere Eltern von klein auf eingehämmert haben, es gebe nichts Besseres als eine sichere Anstellung beim Staat. Zur Polizei wollte ich nicht, weil mir zuwider ist, was mein Vater tut, und der Soldatenberuf schien mir anständiger zu sein. Jetzt aber… Mir ist klar, dass ich an die Front muss, aber nicht etwa weil wir Feinde hätten, sondern weil Hitler beschlossen hat, Europa zu ›retten‹, was seiner Ansicht nach am besten dadurch geschieht, dass Deutschland alle anderen Länder unterjocht. Als Soldat muss ich gehorchen. Ich stelle keine Fragen, mache mir aber selbstverständlich meine Gedanken. Auch wenn ich Inges Ansichten nicht teile, glaube ich nicht, dass sie dafür sterben sollte, und ich bin auch nicht überzeugt, dass die Juden die Schuld am Elend in Deutschland tragen. Aber wie gesagt, ich habe nicht zu entscheiden, sondern zu gehorchen.«
    Am Ende der Mahlzeit bot Arnaud an, den Abwasch zu machen, damit sich die Geschwister in Ruhe unterhalten konnten. Danach suchte er sein Zimmer auf, weil ihm klar war, dass die beiden gern allein sein wollten. Es war unübersehbar gewesen,
dass die junge Frau begierig auf Mitteilungen von der Familie war. Er legte sich hin und las, bis er einschlief.
    Nach dem Frühstück am nächsten Morgen bot er ihr an, sich um Günter zu kümmern, da er weiter nichts zu tun hatte. »Wenn es Ihnen recht ist, kann ich mit ihm ja ein bisschen in den Park gehen. Heute regnet es nicht …«
    Sie nahm erfreut an und erklärte, dass sie auf diese Weise mit ihrer Arbeit schneller fertig würde und anschließend ein wenig ausruhen könne. Die Arbeit sei schwer, sie müsse viel auf dem Fußboden herumrutschen, so dass ihr Rücken und ihre Knie schmerzten.
    »Warum versuchen Sie nicht, Ihr Studium weiterzuführen?«, fragte er.
    »Ich habe Ihnen ja schon gesagt, ich nehme das Leben, wie es kommt. Ursprünglich hatte ich Lehrerin werden wollen, aber diesen Traum habe ich begraben. Ich werde bleiben, was ich jetzt bin. Zumindest verdiene ich den Unterhalt für mich und meinen Jungen. Alles Weitere wird sich finden.«
     
    Arnaud ging mit Günter nach unten. Der Kleine war erstaunlich ruhig, als wüsste er, dass er brav sein müsse und seiner Mutter nicht zur Last

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