Das Blut der Unschuldigen: Thriller
hat nichts mit dem zu tun, was in diesem Lande geschieht.«
Der Baron hörte ihn schweigend und teilnahmslos an, als dringe nichts von dem, was Arnaud sagte, zu ihm durch.
»Was tut man mit den Menschen? Gehören Sie der Partei an? Sind auch Sie einer dieser seelenlosen Schinder? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit diesem Pöbel gemeinsame Sache machen.«
»Ich verstehe Ihre Besorgnis und Ihre Unruhe, kann aber nichts unternehmen. Sie wollen sich der Wahrheit nicht stellen, daher …«
»Ich gehe schon. Sie brauchen mich nicht hinauszubegleiten, schließlich bin ich nichts weiter als der Ehemann einer verschwundenen Jüdin. Was liegt schon an einem Juden mehr oder weniger?«
Tränen der Wut traten ihm in die Augen, als er das Büro des Barons verließ. Für den Rückweg nahm er ein Taxi. Er würde mit David und den Schwiegereltern reden. Gemeinsam würden sie beschließen, was zu tun war.
In ihrer Wohnung unterhielt sich Inge Schmid mit Debora, der Tochter des Ehepaars Schneider.
»Entschuldigen Sie, dass ich hergekommen bin, aber wir haben in der Zeitung die Anzeige mit dem Bild Ihrer Gattin gesehen, und mein Vater hat mich aufgefordert herzukommen und mich zu erkundigen, wie es Ihnen geht. Sie sollen wissen, dass Sie in Ihrer Verzweiflung nicht allein sind.«
»Immer, wenn die Leute von meiner Frau sprechen, habe ich den Eindruck, dass man sie mit Worten besudeln will.«
»Ich weiß nicht, wie wir Ihnen helfen können«, klagte Debora. »Meine Eltern und ich würden gern etwas tun, soweit wir das vermögen. Sie dürfen auf uns zählen …«
»Vielen Dank. Sie wie auch das Ehepaar Bauer haben mir bereits geholfen, indem Sie mir Mut gemacht haben. Sie sind die einzige Verbindung, die ich zu den Verwandten Miriams und damit unter den gegebenen Umständen auch zu ihr selbst habe. Die Sache ist nur die, dass ich nicht weiß, was ich tun kann…«
»Sie sollten nach Frankreich zurückkehren«, erklärte Debora mit fester Stimme. »Hier können Sie nicht endlos bleiben, und falls sie … falls Ihre Frau es schafft, von dort wegzukommen, wo sie sich befindet, wird sie Sie ohnehin suchen.«
»Aber wo kann sie nur sein? Sagen Sie es mir.«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht hatte sie einen Wortwechsel mit der Blockwartsfrau im Haus Ihrer Verwandten, und die hat die SA gerufen. Oder man hat sie mitgenommen, weil sie Jüdin ist, Französin hin oder her. Unter Umständen wagt man jetzt nicht, sie freizulassen, weil sie dann Dinge berichten würde, von denen keiner will, dass sie bekannt werden.«
»Das würde bedeuten, dass man sie nie freiließe, sondern für immer behielte …«
»Es ist die einzige Möglichkeit, die mir einfällt …«
»Dann muss ich unbedingt weitersuchen«, erklärte er. »Wohin bringt man die Juden, die verschwinden? Wo befinden sich diese Arbeitslager?«
»Niemand ist zurückgekommen, um das zu berichten«, erklärte Debora. »Nur wichtige Personen in der Regierung wissen darüber Bescheid.«
»Ich denke, wir sollten noch einmal mit der Hauswartsfrau reden«, regte Inge Schmid an. »Vielleicht, wenn man versucht, sie zu bestechen … einfach wird das angesichts ihrer politischen Einstellung nicht sein, aber bei diesen Leuten weiß man nie. Außerdem sollten wir versuchen, mit Nachbarn der Levis zu sprechen. Immerhin ist denkbar, dass die uns etwas sagen können.«
»Ja, das tue ich«, sagte Arnaud. »Ich gehe gleich hin. Es ist ja erst sieben.«
Debora erklärte sich bereit, auf Günter aufzupassen. Dunkelheit lag über der Stadt, als sie das Haus erreichten. Das Tor war verschlossen, doch da Inge Schmid einen Schlüssel besaß, gelangten sie dennoch hinein. Sie hatten sich entschieden, erst die Nachbarn und dann die Blockwartsfrau aufzusuchen. Im zweiten Stock klopften sie an die Tür zur Rechten, doch niemand öffnete. Entweder waren die Leute nicht zu Hause, oder sie wollten keine Fremden einlassen. Als Nächstes versuchten sie es an der Tür der gegenüberliegenden Wohnung, die nahezu sogleich geöffnet wurde.
»Sie wünschen?«, fragte eine Frau mit misstrauischer Stimme.
»Guten Abend. Ich habe bei den Levis ausgeholfen. Bestimmt haben Sie mich gelegentlich schon gesehen. Dieser Herr ist ein Neffe des Ehepaares, genauer gesagt, seine Frau ist deren Nichte …«
»Was geht mich das alles an? Was wollen Sie?«, gab die Frau grob zurück.
»Vielleicht haben Sie etwas darüber gehört, wo sich die Levis befinden … Außerdem wüssten wir gern, was geschehen ist,
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