Das Blut der Unschuldigen: Thriller
der von mir deren Echtheit bestätigt haben wollte. Anschließend hat er mir gestattet, mit Hilfe dieses Dokuments unsere Kenntnisse über die Zusammenhänge der Katharer-Verfolgung zu vertiefen, vor allem in Bezug auf die sich in jener Zeit ändernde Gestalt des Königreichs Frankreich. Damit habe ich mich in den letzten Jahren unter anderem beschäftigt, und zwar im Rahmen meiner Tätigkeit an dieser Universität, nicht aber etwa im Auftrag einer Privatperson. Das Ergebnis dieser Arbeit ist dann auch im Namen der Universität veröffentlicht worden.«
»Aber Sie haben mit dem Grafen in ständiger Verbindung gestanden«, warf Grillo in glänzendem Französisch ein.
»Gewiss. Da es unerlässlich war, Nachforschungen im Archiv dieser Adelsfamilie anzustellen, habe ich seine Burg bis zum Kriegsausbruch relativ häufig besucht und bin auch nach Kriegsende gelegentlich wieder hingefahren.«
»Den Herren ist Ihre von der Universität veröffentlichte Arbeit bereits bekannt«, warf der Dekan ein, »was mich angenehm überrascht hat.«
»Vermutlich ist es Ihnen nicht recht, dass eine solche Studie über den Katharer-Kreuzzug veröffentlicht wird, aber ich versichere Ihnen, dass es sich dabei um eine rein akademische Arbeit handelt. Ich habe nicht die geringste Absicht, der Kirche frühere Verfehlungen vorzuhalten«, machte Arnaud klar, dem es nicht gelang, seine Verärgerung vollständig zu unterdrücken.
»Wir sind weder hier, um über die historischen Umstände zu diskutieren, noch über die Gründe, die seinerzeit die Kirche zu ihrem Handeln veranlasst hat. Uns geht es nicht um das, was eine akademische Arbeit über die Vorgänge des
13. Jahrhunderts möglicherweise ans Licht gebracht hat, sondern ausschließlich um die Gegenwart«, betonte der Vertreter der Nuntiatur.
»Dann sagen Sie mir bitte, was Sie wollen.«
»In den vergangenen Jahren haben Gruppen französischer und deutscher … ich weiß nicht recht, wie ich sie nennen soll, Studenten?, im Gebiet von Montségur nach einem Schatz gegraben, sogar während des Krieges, und wie es heißt, unter Ihrer Anleitung«, hielt ihm Nevers vor.
»Aber wo denken Sie hin! Ich habe nichts angeleitet«, wehrte sich Arnaud.
»Wir besitzen Aussagen, denen zufolge das doch der Fall ist.«
»Ich werde Ihnen genau erklären, was ich getan habe und was nicht, aber zuvor sollten Sie mir sagen, was hier vor sich geht und was Sie von mir wollen …«
Grillo räusperte sich. »Gern, Monsieur Arnaud. Vor einigen Monaten sind bei uns im Staatssekretariat erste Hinweise darauf eingegangen, dass in der Umgebung von Montségur eine den Nazis nahestehende Arbeitsgruppe Grabungen durchführt. Die Leute scheinen bereits seit 1939 nach dem Katharerschatz zu suchen, von dem manche glauben, es sei der Gral.«
Zur unübersehbaren Überraschung der drei Geistlichen lachte Arnaud laut heraus, was ihm einen missbilligenden Blick des Dekans eintrug.
»Aber ich bitte Sie, meine Herren! Sie werden doch solchen Räuberpistolen keinen Glauben schenken! Ich habe mich in den von mir veröffentlichten Schriften über jenen Zeitraum der französischen Geschichte und über die Ketzerverfolgung auch mit diesem ›Schatz‹ beschäftigt und klipp und klar gesagt, dass es im Zusammenhang damit nicht das geringste Geheimnis
gibt. Man hat aus Montségur Münzen und Kleinodien hinausgeschafft, die dafür sorgen sollten, dass die Überlebenden der Verfolgung die Arbeit der Kirche der Guten Christen weiterführen konnten. Da ich Historiker und kein Märchenerzähler bin, findet sich in keiner meiner Schriften eine Stelle, welche die irrwitzige Theorie von der Existenz des Grals stützt. Es gibt ihn nicht, wie auch immer man ihn sich vorstellen mag. Man sollte zu diesem Thema nicht esoterische Bücher oder die Werke des Nazischriftstellers Otto Rahn heranziehen, so meisterhaft sie geschrieben sein mögen.«
»Wenn die Dinge so liegen – wie hat dann Ihre Beziehung zu diesen Arbeitsgruppen ausgesehen?«, fragte ihn der Dekan.
»Das wissen Sie doch«, gab Arnaud erzürnt zurück, »ich habe Ihnen mehrfach gesagt, dass Gruppen junger Leute unter der Leitung eines deutschen Wissenschaftlers dort im Auftrag des Grafen gegraben haben. Sie waren überzeugt, dort den Katharerschatz zu finden – vermutlich, weil sie Rahn gelesen hatten. Graf d’Amis hat mich lediglich gebeten, mich über die schriftlich niedergelegten Ergebnisse dieser Arbeit zu äußern, und dabei habe ich ihm jedes Mal das Gleiche gesagt:
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