Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Weile dort aufhalten, aber ich sehe
mich nicht imstande, an der Errichtung eines jüdischen Staates mitzuwirken, von dem du träumst. Wäre deine Mutter noch am Leben … Es ist dein Traum, David. Ich sage: Tu, was du zu tun hast, und ich werde dich von ganzem Herzen unterstützen. Nur eines bitte ich dich: Vergiss nicht, was dir deine Mutter und ich beigebracht haben. Denk immer daran, dass es nicht darauf ankommt, welchen Namen Gott trägt oder auf welche Weise man zu ihm betet. Werde kein Fanatiker. Darum bitte ich dich im Namen deiner Mutter, die sich nie im Leben zu derlei bereitgefunden hätte.«
Nach diesen Worten sah David ihn sonderbar an und weinte.
»Du sprichst von Gott, Vater? Ich glaube an keinen Gott. Ich habe zu ihm gebetet, er möge mir meine Mutter zurückbringen, doch er hat es nicht getan. Gäbe es ihn, nie hätte er den Mord an sechs Millionen Unschuldiger in den Gaskammern zugelassen. Glaubst du, die hätten ihn nicht in ihren Gebeten um Erbarmen angefleht? Wo war er denn? Wollte er den Tod der Unschuldigen nicht verhindern? Konnte er nicht? Warum hat er erlaubt, dass man meine Mutter umgebracht hat?«
»Mein Junge, gib nicht Gott die Schuld an dem, was Hitler getan hat.«
»Sofern er existiert, hat er einen Massenmord zugelassen. Ihr habt mich nicht im Glauben erzogen, sprich mir daher jetzt auch nicht von Gott. Ich werde dafür kämpfen, dass künftig niemand mehr Juden ungestraft töten kann. Ich werde dafür kämpfen, dass wir Juden eine Heimat haben und man uns nie wieder verfolgt. Ich habe ihm nichts bedeutet, als ich ihn brauchte, und jetzt bedeutet er mir nichts mehr. Was könnte er uns denn noch antun?«
Arnaud, der keine Antworten auf seine eigenen Fragen
hatte, wusste auf die seines Sohnes nichts zu erwidern. Er hätte nicht einmal sagen können, warum ihm Gott überhaupt in den Sinn gekommen war. Vielleicht lag es an den vielen Stunden, in denen er sich mit der Verfolgung der Katharer und anderer Ketzer durch die Inquisition und den vielen anderen Ungeheuerlichkeiten beschäftigt hatte, die Menschen im Namen Gottes begangen hatten.
Er fühlte sich innerlich zerrissen, als er erneut Abschied von David nahm, der nach Palästina zurückkehrte – »Eretz Israel«, wie er es nannte, das Land Israel.
Das Einzige, was ihn selbst mit jenem Land verband, war David, und so würde er stets nach einer Möglichkeit suchen, die Verbindung dorthin nicht abreißen zu lassen.
Schon jetzt sehnte er sich nach dem Augenblick, da er ihn in einem oder zwei Monaten wiedersehen würde. Bis dahin würde er seine Arbeit über Bruder Julián abliefern und die Universität sie als Dokument der Erforschung der Vergangenheit der Öffentlichkeit vorstellen. Auch Graf d’Amis wartete ungeduldig auf das Ergebnis der Arbeit, die durch die Wechselfälle des Krieges bedingt über Jahre hinweg unerledigt hatte liegenbleiben müssen.
15
Einen Monat später – Arnaud war damit beschäftigt, in der Universität alles für eine längere Abwesenheit zu regeln, weil er David in Palästina besuchen wollte – bat ihn der Dekan der Historischen Fakultät in einer dringenden Angelegenheit zu sich. Als er in dessen Arbeitszimmer trat, sah er sich zu seiner Überraschung außer diesem drei katholischen Geistlichen gegenüber.
»Ich darf Ihnen Monsignore Nevers von der Pariser Nuntiatur vorstellen, Seine Exzellenz Grillo vom Staatssekretariat des Vatikans in Rom sowie dessen Sekretär, Hochwürden Ignacio Aguirre«, sagte der Dekan zu Arnaud gewandt. »Am besten erklären Ihnen die Herren den Anlass ihres Hierseins und die Art ihres Ersuchens wohl selbst.«
Nevers und Grillo tauschten einen raschen Blick, um zu sehen, wer als Erster das Wort ergreifen sollte. Grillo war ein aristokratisch wirkender Herr in mittleren Jahren, über dessen gebräuntem Gesicht die glatt gekämmten Haare allmählich grau zu werden begannen.
»Professor Arnaud«, begann Nevers, »ich will ohne Umschweife zum Kern der Sache kommen. Es ist uns bekannt, dass Sie für den Grafen d’Amis gearbeitet haben.«
»Es tut mir leid, da widersprechen zu müssen«, sagte Arnaud, aufs Höchste verblüfft. »Ganz so verhält es sich nicht. Vermutlich hat Ihnen der Herr Dekan bereits erklärt, dass ich eine wissenschaftliche Arbeit über eine Chronik verfasst habe, die ein Dominikanermönch zur Zeit der Belagerung von Montségur durch das Kreuzfahrer-Heer verfasst hat. Diese Chronik
ist in der Tat durch den Grafen d’Amis in meine Hände gelangt,
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