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Das Blut der Unsterblichen

Das Blut der Unsterblichen

Titel: Das Blut der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Saamer-Millman
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Augen waren tiefschwarz, die Pupillen von der Blutmahlzeit geweitet, sodass die Farbe seiner Iris nicht mehr zu sehen war. Dieser Effekt hielt oft mehrere Stunden an. Unmöglich, so ins Tageslicht hinaus zu gehen. Selbst im Wald würde er seine dunkelste Sonnenbrille benötigen.
    Unaufhörlich kreisten seine Gedanken um die vergangene Nacht. Um Kristina. Fragen durchstießen die sinnliche Wärme des Blutrauschs, Fragen, die er sich eigentlich nicht stellen wollte. Sollte er dieser Versuchung widerstehen und verschwinden? Konnte er ihr überhaupt widerstehen? Objektiv betrachtet wäre es besser, ihre Telefonnummer zu vernichten, noch vor dem nächsten Morgengrauen ein Flugzeug zu besteigen und das Land zu verlassen. Mit fahrigen Fingern kramte er den Klebezettel mit ihrer Nummer aus seiner Jeans und starrte ihn gedankenverloren an. Warum sollte er nicht eine Weile die Freuden einer menschlichen Gefährtin genießen? Hatten er oder Kristina nicht ein wenig Glück verdient? Sie war einsam, das konnte er in ihren Bildern sehen, und im Bernsteinglanz ihrer Augen.
    Weder wäre er der erste noch der letzte Unsterbliche, der sich den Verlockungen eines lebendigen Körpers hingeben würde. Etliche hatten sich über die Jahrhunderte hinweg menschliche Gefährten gehalten, sich berauschen lassen von der Wärme ihres Fleisches und ihrem süßen Blut. Natürlich bezahlten die meisten Menschen diese Liaison mit dem Leben und auch die Unsterblichen kamen für gewöhnlich nicht ungestraft davon, doch soweit Marcus wusste, hatte es kein Unsterblicher jemals wirklich bereut.
    Vielleicht irrte er sich ja auch, vielleicht ebbten seine übermächtigen Gefühle ab, nachdem er sie ein paar Mal getroffen und sich an ihr genährt hatte. Und was sollte schon passieren? Wenn es zu brenzlig wurde, konnte er sie jederzeit töten oder die Liebschaft beenden. Schlimmstenfalls hätte er eine Zeit lang Gewissensbisse oder Liebeskummer, doch wie jeder Kummer würde auch dieser irgendwann vergehen. Wie er sich irrte.

3
     
    Das Klingeln des Telefons riss Kristina aus dem Schlaf. Blinzelnd schaute sie zur Uhr. Zehn Uhr dreißig. Da sie viel zu müde zum Telefonieren war, ließ sie den Anrufbeantworter antworten.
    „Hi Kris. Ich bin’s, Pia. Wo bist du gestern Nacht abgeblieben? Bist du mit einem Taxi nach Hause gefahren? Wenn ja, dann tut es mir leid, wirklich. Ich mache es wieder gut, das verspreche ich. Ruf mich bitte zurück, okay? Es gibt Neuigkeiten. Also, nicht vergessen: Pia bittet um Rückruf! Hab’ dich lieb. Tschühüss!“
    Kristina lächelte müde. Man konnte Pia einfach nicht böse sein. Sie streckte sich, gähnte und schob sich dann aus dem Bett. Mit halb geschlossenen Augen schlurfte sie in die Küche und brühte sich eine Tasse Kaffee auf, während sie über den vergangenen Abend nachdachte. Die Erinnerung an Marcus’ Kuss hatte sich wie ein Pfeil in ihr Fleisch gebohrt und ihren Körper mit Begehren vergiftet. Unwillkürlich legte sie die Fingerspitzen an ihre Lippen. Sie fühlten sich ein wenig taub an, so als hätte sie die ganze Nacht geknutscht.
    Nachdem sie Kaffee getrunken hatte, schlurfte sie in das Badezimmer und stieg in die Duschkabine. Das kühle Wasser weckte ihre Lebensgeister. Für einen Moment glaubte sie, das Klingeln des Telefons zu hören, doch da sie gerade den Schaum aus ihren Haaren spülte, war sie sich nicht sicher. Erneut wanderten ihre Gedanken zu der vergangenen Nacht. Marcus war so anders als andere Männer. Charmant und attraktiv, aber auch geheimnisvoll und seltsam. In seiner Gegenwart fühlte sie sich plump und ungehobelt, so als gehöre sie nicht zu seiner Welt, und doch zog er sie in seinen Bann.
    Nachdem sie sich eingecremt hatte, ging sie in das Schlafzimmer und streifte eine bequeme Caprijeans und ein T-Shirt über. Der Anrufbeantworter blinkte. Überrascht drückte sie auf die Abhörtaste. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie Marcus’ Stimme vernahm.
    „Guten Morgen Kristina, hier ist Marcus. Ich wollte mich melden, wie versprochen. Schade, dass du nicht zuhause bist. Falls du später Zeit hast, würde ich dich gerne treffen. Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich rufe dich in Kürze wieder an. Bis dann.“
    Ein aufgeregtes Kribbeln breitete sich in ihrer Magengrube aus. Nur zu gerne würde sie ihn heute noch treffen, obwohl es eigentlich vernünftiger wäre, ihn nicht sofort wiederzusehen. Er sollte ja nicht glauben, dass sie leicht zu haben war, oder nichts Besseres zu tun hatte.

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