Das Blut der Unsterblichen
jetzt um Verhütung keine Gedanken mehr zu machen.“
„Als hätten wir das je getan“, flüsterte Marcus und senkte seine Lippen auf die ihren.
Am nächsten Tag vereinbarte Kristina einen Termin bei ihrem Frauenarzt. Marcus äußerte den Wunsch, dabei sein zu dürfen und bat sie, einen späten Termin zu wählen. In seiner Zeit als Mensch hatten Männer von der Schwangerschaft ihrer Frauen kaum etwas mitbekommen, umso glücklicher war er darüber, dass sich die Zeiten geändert hatten.
Mittlerweile hatte der November Einzug gehalten. Die Tage wurden immer kürzer und waren meist trüb und regnerisch, was Marcus die Gelegenheit gab, sich auch mittags zu zeigen. Die Sonne konnte ihm nichts mehr anhaben, denn sie hatte ihre sommerliche Kraft eingebüßt. Im trüben Novemberzwielicht hob sich zudem seine kränklich aussehende Haut nicht mehr so sehr ab.
Wie sich herausstellte, befand sich Kristina in der neunten Schwangerschaftswoche. Überwältigt betrachtete Marcus das Wesen auf dem Ultraschallbild, wohl wissend, dass ihm hier etwas ganz und gar Außergewöhnliches zuteilwurde. Allein der Gedanke, dass dies sein Kind war, welches er mit seiner Seelenverwandten gezeugt hatte, ließ ihn all seine Sorgen vergessen.
Zur Feier des Tages führte er sie in ein schickes Restaurant. Seit er ihr ein Magenleiden vorgegaukelt hatte, wunderte sie sich kaum noch über seinen mangelnden Appetit. Gleichzeitig erklärte das auch seine kränkliche Gesichtsfarbe. Diesmal aß sie jedoch selbst mit wenig Begeisterung. Sie musste sich häufig erbrechen und hatte Bedenken, ob sie das Essen bei sich behalten würde.
„Morgendliche Übelkeit, von wegen“, jammerte sie. „Mir ist fast ständig schlecht.“
Er griff nach ihrer Hand. „Das wird bald vorübergehen. Du kannst dir aber auch etwas gegen die Übelkeit verschreiben lassen, hat der Arzt gesagt.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich versuche, es ohne Tabletten durchzustehen. Wie du gesagt hast, die Übelkeit wird vergehen. Allerdings wäre es eine Schande, dieses köstliche Essen zu erbrechen.“
Marcus betrachtete sie besorgt. Er hoffte, dass die extreme Übelkeit nicht darauf zurückzuführen war, dass das Kind eines Unsterblichen in ihr heranwuchs, doch der Arzt war nicht besorgt gewesen, also war es wohl normal. Er hatte sogar gesagt, dass Übelkeit ein gutes Zeichen sei und auf eine gut verlaufende Schwangerschaft und ein starkes Baby hindeutete.
Marcus hielt Kristinas Hand und lächelte sie aufmunternd an. Er schwor sich, sie unter allen Umständen zu beschützen. Er würde nicht zulassen, dass irgendjemand ihr oder dem Ungeborenen etwas antat.
Eines Tages würde er sich entscheiden müssen, das wusste er. Eines Tages würden sie beide sich entscheiden müssen, doch bis dahin wollte er dieses Wunder in vollen Zügen genießen.
7
Die Monate flogen dahin. Kristina und Marcus begannen, sich auf die Ankunft ihres Kindes vorzubereiten. Gemeinsam räumten sie das kleine Zimmer, welches Kristina bisher als Abstellkammer genutzt hatte, aus und tapezierten es. Sie bummelten durch Möbelgeschäfte und kauften, auf Marcus’ Drängen hin, eine Kinderzimmereinrichtung, die Kristina zwar unverhältnismäßig teuer fand, ihr aber besonders gut gefiel. Sie besuchte einen Schwangerschaftskurs, an dem Marcus zwar nicht teilnehmen wollte, für den er aber trotzdem reges Interesse zeigte. Fast täglich schleppte er Schwangerschaftsliteratur, Erziehungsratgeber und Anleitungen zur Babypflege an, die er staunend studierte. Einmal brachte er einen ganzen Schwung Strampler aus unbehandelter Biobaumwolle und eine durchsichtige Waschschüssel, ein sogenanntes Tummy Tub, wie er stolz erklärte, mit. Kristina belächelte seine fast schon übertriebene Begeisterung für alles, was mit dem Baby zu tun hatte.
Die regelmäßigen Arzttermine nahm er sehr ernst und bestand darauf, bei den Ultraschallterminen dabei sein zu dürfen. Wenn er sein Kind auf dem Monitor sah, machte er ein Gesicht, als erblicke er ein kleines Wunder. Kristina sonnte sich in ihrem Glück und genoss jede Minute, die sie mit Marcus und ihrem ungeborenen Kind verbringen durfte. Da er die nötigen finanziellen Mittel und einen kulanten Chef hatte, verbrachte er viel Zeit zu Hause. Insgesamt war er der fürsorglichste und liebevollste Mann, den Kristina sich hätte vorstellen können und dafür liebte sie ihn jeden Tag ein bisschen mehr. Manchmal kam es ihr unwirklich vor, dass sie sehr bald schon Eltern sein würden.
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