Das Blut der Unsterblichen
der Garderobe und rannte zur Haustür. Ihre Mutter war einkaufen, wodurch ihr Ermahnungen glücklicherweise erspart blieben.
Gut gelaunt schlenderten die Freundinnen zum örtlichen Bahnhof, einer unscheinbaren Haltestelle für Nahverkehrszüge. Jetzt, wo Leila unterwegs war, freute sie sich darauf, endlich einmal dem Kleinstadtmief zu entfliehen.
Die Fahrt zum Frankfurter Hauptbahnhof dauerte eine halbe Stunde. Mit der S-Bahn fuhren sie weiter zur Zeil, einer Shoppingmeile im Herzen der Stadt, was weitere zwanzig Minuten in Anspruch nahm. Dann waren sie endlich da. Aufgeregt betrachtete Leila die Einkaufsstraße, überwältigt von den unzähligen Menschen, die hin und her hasteten, den bunten Reklametafeln, den hell erleuchteten Schaufenstern und der Duftmischung aus Autoabgasen, Parfüm und Pizza. Sie wünschte sich, mehr Geld dabeizuhaben, denn bei diesem Überangebot an Schmuck, Schuhen, Kleidung und Kosmetik würde es schwer sein, sich für etwas zu entscheiden.
„Lasst uns in die Wäscheabteilung gehen“, schlug sie ihren Freundinnen vor, nachdem sie ein Kaufhaus betreten hatten. Sie wollte sich ein paar BHs und Slips kaufen. Nico und sie waren vom Küssen langsam dazu übergegangen, sich gegenseitig zu streicheln und Leila wollte dazu hübschere Unterwäsche tragen als unifarbene Baumwollslips und Bustiers.
„Wieso?“, fragte Nadine.
„Gibt es da vielleicht etwas, was wir wissen sollten?“, fragte Thea.
Die Beiden sahen sie erwartungsvoll an, ein anzügliches Grinsen auf den Lippen.
Leila errötete. „Ich möchte lediglich neue Unterwäsche kaufen, nur für alle Fälle. Man weiß ja nie.“
„Oh, oh, geht da schon was zwischen dir und Nico oder seid ihr noch bei den theoretischen Erwägungen?“, fragte Nadine.
„Nein“, wehrte Leila entrüstet ab. „Wir sind noch weit entfernt. Wir tasten uns nur langsam zu näheren Erkundungen vor.“
„Ach so, ich verstehe. Will er denn mehr?“, hakte Nadine nach.
Leila zuckte mit den Schultern. „Ich denke schon. Jungs wollen ja am liebsten immer gleich alles, aber er drängt mich nicht. Wie gesagt, wir tasten uns Stück für Stück voran. Soweit ich weiß, ist das für ihn ebenfalls Neuland.“
„Du hast es gut“, mischte Thea sich ein. „Benny und ich sind erst seit zwei Wochen zusammen und er drängt mich schon total.“
Leila sah sie ernst an. „Vielleicht ist Benny nicht der Richtige für dich. Ich finde es scheiße, wenn ein Junge nicht abwarten kann. Das gibt einem doch das Gefühl, dass er nicht wegen dir mit dir zusammen ist, sondern weil er nur das Eine will.“
Thea kniff die Lippen zusammen. „Ja, ich weiß, aber ich bin so verknallt in ihn …“
„Hey Leute, jetzt wollen wir aber keine Trübsal blasen. Lasst uns shoppen und nicht an die doofen Jungs denken“, unterbrach Nadine sie.
Der Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung und so fuhren sie die Rolltreppe hinauf in die Wäscheabteilung. Leila suchte sich eine Handvoll Sets heraus, von denen sie annahm, dass sie nicht nur ihr gefallen würden. Nachdem sie alles anprobiert hatte, ging sie mit den ausgesuchten Teilen zur Kasse, wo sie genervt feststellte, dass sich eine lange Schlange gebildet hatte.
„Wir warten draußen auf dich“, sagte Thea mit einem Seitenblick auf die Warteschlange.
Leila seufzte. „Okay. Ich komme dann irgendwann nach.“
Sie hatte keine Lust, zu warten und erwog, die Teile wieder zurückzulegen, doch nachdem sie fast eine Stunde damit zugebracht hatte, die Unterwäsche anzuprobieren, wollte sie nicht unverrichteter Dinge wieder gehen. Also stellte sie sich an und beobachtete die Kassiererin, die seelenruhig die Preisschilder scannte, als würde sie die lange Schlange gar nicht bemerken. Leilas Fuß wippte hektisch auf und ab.
Jemand stellte sich hinter ihr an. Ein kühler Hauch streifte ihren Rücken, begleitet von einem schweren, süßlichen Duft. Eine Gänsehaut zog sich über ihre Haut. Neugierig blickte sie auf die spiegelverkleidete Wand und betrachtete die Frau, die sich hinter ihr angestellt hatte.
Sie war klein, reichte ihr höchstens bis zur Nasenspitze, hatte langes, hellblondes Haar und sehr blasse, fast durchscheinend wirkende Haut. Irgendetwas war seltsam an ihr.
Leila schärfte ihren Blick und erkannte die feinen Äderchen unter der Haut und die bläulichen Schatten unter den Augen. Sie hörte, wie die Frau die Luft einsog, als würde sie versuchen, einen bestimmten Geruch zu identifizieren.
Plötzlich wandte sie sich
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