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Das Blut der Unsterblichen

Das Blut der Unsterblichen

Titel: Das Blut der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Saamer-Millman
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ebenfalls dem Wandspiegel zu. Ihre Blicke trafen sich. Leilas erster Impuls war, schnell wegzusehen, doch irgendetwas hielt sie zurück. Sie sah, wie sich die Pupillen der Frau abwechselnd verengten und weiteten. War es möglich, dass sie ihre Sehschärfe ebenfalls beliebig einstellen konnte?
    Es sah ganz danach aus. Die Frau legte ihren Kopf schief. Ihre Augen glitten über Leilas Körper und verweilten dann bei ihrem Gesicht. Plötzlich lächelte sie und nickte ihr zu.
    „Hallo?“, sagte die Kassiererin. Leila fuhr herum und legte ihren Einkauf auf die Theke. Deutlich spürte sie den kalten Hauch im Rücken, den stechenden Blick, roch die schwere Süße. Beim Bezahlen merkte sie, dass ihre Hände zitterten. Warum zitterte sie? Nachdem die Kassiererin die Ware eingetütet hatte, drehte sie sich um und warf noch einen letzten Blick auf die Frau. Für den Bruchteil einer Sekunde sah sie ihr eigenes Spiegelbild in ihren Augen.
    „Auf Wiedersehen“, sagte die Frau mit melodischer Stimme, während sie ihre kirschroten Lippen erneut zu einem Lächeln verzog. Leila nickte ihr zu und verließ eilig das Kaufhaus. Sie war schrecklich verwirrt und entsprechend abwesend, als ihre Freundinnen sie überschwänglich in Empfang nahmen. Sie hatte in die Augen dieser Frau geblickt. Diese Augen, die wie ihre waren. Hatte auch sie die Gabe?
    Auf jedem Fall hatte sie Leila mit unverhohlener Neugier gemustert, und zwar nicht auf eine wie sieht die denn aus Art, sondern interessiert und auch ein wenig überrascht. Und dann war da noch ihr besonderer Geruch. Süß, wie eine exotische Blumenwiese und gleichzeitig kalt wie ein frostiger Morgen. Während Leila mit ihren Freundinnen die Zeil entlang schlenderte, blickte sie sich immer wieder um, in der Hoffnung, einen letzten Blick auf die seltsame Frau zu erhaschen, doch sie konnte sie nirgends entdecken.
    Mittlerweile war es dunkel geworden und die drei Mädchen beschlossen, sich vor der Heimfahrt noch einen Kaffee zu gönnen. Abwesend nuckelte Leila an ihrem Eiskaffee und klinkte sich aus der Unterhaltung ihrer Freundinnen aus. Auch während der Zugfahrt hatte sie den Gesprächen nicht mehr allzu viel beizusteuern. Die seltsame Frau beherrschte ihre Gedanken. Nadine und Thea warfen einander bedeutungsvolle Blicke zu.
    Ja , dachte Leila. Ich bin schon wieder komisch, na und ?
    Zwei Stunden später war sie endlich zu Hause. In der Behaglichkeit ihres Zimmers erschien ihr die Begegnung mit der Frau surreal und sie fragte sich, wie sie einer zufälligen und oberflächlichen Begegnung nur so viel Bedeutung hatte beimessen können. Um sich abzulenken, beschloss sie, mit Nico zu telefonieren. Er brachte sie tatsächlich auf andere Gedanken, jedoch nur kurz. Als sie später im Bett lag, wanderten ihre Gedanken automatisch wieder zu der Begegnung im Kaufhaus.
    In der folgenden Nacht hatte sie ihren bisher schlimmsten Albtraum. Sie befand sich auf der Zeil. Es war Nacht und sie war ganz allein. Plötzlich tauchten aus den Schatten der Häuser verschwommene Gestalten auf, schwebten auf sie zu, allen voran die blonde Frau. Sie lachte laut und schrill. Leila sah, dass sie keine normalen Zähne hatte, sondern spitze, scharfe Reißzähne, wie ein Hai. Sie versuchte, sich zu bewegen, doch eine unsichtbare Macht hielt sie gefangen. Neben ihr erschien, wie aus dem Nichts, die schemenhafte Gestalt ihres Vaters. Obwohl sie ihn nicht genau erkennen konnte, wusste sie, dass es sich um ihren Vater handelte. Sie konnte ihn riechen. Er roch wild und erdig, wie ein Tier.
    „Bitte hilf mir“, flehte sie ihn an.
    „Lass es geschehen“, flüsterte er. Schwerelos glitt er auf sie zu. Seine linke Hand legte sich um ihren Arm und hob ihn an. Mit dem Zeigefinger ritzte er die Haut an der Innenseite ihres Unterarms auf. Leila stand wie erstarrt und beobachtete, wie die Haut auseinanderklaffte, wie das Blut aus ihren Venen über den Arm floss und auf den Asphalt tropfte, während sich die Gestalten unaufhaltsam näherten. Sie wunderte sich darüber, dass sie keine Schmerzen empfand. Die Frau leckte sich über die Lippen, in ihren tiefschwarzen Pupillen loderte ein gieriges Feuer. Leilas Herz raste, sie hatte panische Angst.
    „Nein, bitte nicht“, flehte sie immer wieder, während sie verzweifelt versuchte, sich aus ihrer Starre zu befreien. Die Frau erreichte sie als Erste und ihr Vater hielt ihr Leilas blutenden Arm hin. Die Frau schnappte ihn und vergrub ihre Zähne in der Wunde. Innerhalb weniger Sekunden waren

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