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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gemietet hatte, lag in der Künstlerkolonie. Es war ein spanisches Steinhaus mit flachem Dach, halb versteckt im grün wuchernden Garten. Der Springbrunnen plätscherte.
    Queenie wurde von einem alten Hausgeist durch den dämmrigen Gang in das Atelier geführt. Da stand sie plötzlich im farblos-hellen, nicht zu betrügenden Licht zwischen James Clark, seinen Ölgemälden und seinen Skizzen.
    »How do you do!«
    »How do you do!«
    Queenie wartete. Das bedrängendste war, daß dieser Maler und Lehrer die Blockhütte der Kings besucht hatte, als er Queenie überreden wollte, für ein Jahr auf die Kunstschule zurückzukehren. Sie konnte ihre Heimat nicht vor ihm verstecken. Als sie Clark im Lichte seines Ateliers sah, wollte sie sich aber wieder so verbergen, wie sie es einst als junges Mädchen vor allen Weißen getan hatte. Scheuer noch, denn jetzt suchte sie das Gebüsch wie verwundetes Wild.
    Joe King, den Mann der Queenie Tashina, hatte James Clark nicht gesehen. Darum würde er auch Queenie Tashina niemals ganz erkennen können. Sie fühlte sich dadurch sicherer vor ihm. Ihr Körper entspannte sich.
    »Bitte, sehen Sie sich um!«
    Queenie folgte der Aufforderung. An den Wänden hingen drei kolossale Gemälde, überwältigend in Farbe und Technik, auf einem Tisch lagen zwei Skizzen; Clark arbeitete weiter an seiner Staffelei.
    Als Queenie lange genug im Kreise umhergegangen war und, von ihren Eindrücken umwallt, nichts gesagt hatte, fragte er:
    »Nun?«
    »Ich danke Ihnen, Mister Clark, daß ich die Ferien über bei Ihnen arbeiten darf.«
    Clark legte den Pinsel weg.
    »Liebes Kind - nicht auf diese Weise! Wenn ich eine Puppe aufziehen will, kann ich sie mir auch in Baltimore kaufen. Dazu brauche ich nicht hierher zu kommen. Begreifen Sie überhaupt, was ich male?«
    Das Scharfe und Unmittelbare der Frage erschreckte Queenie, und sie schaute noch einmal auf die drei Gemälde, auf denen Blaues, Gelbes, Rotes aus dem Schwarzen und Braunen hervorbrach wie Sonneneruptionen oder wie Vulkane aus Erdspalten. Eine einzige Idee in immer neuer Form. Queenies Stimme blieb schüchtern, flüsternd.
    »Das Werden.«
    »Ja, richtig! Ich habe von Ihnen auch erwartet, daß Sie mich verstehen. Sprechen Sie weiter.«
    Queenie wurde sicherer.
    »Das Werden, das noch keine Form gefunden hat.«
    »Jjja... Sehen Sie, darin liegt der Unterschied zu Ihrem >Tanz in der Nacht<. Sie haben auch das Licht im Dunkel, das Licht aus dem Dunklen - aber Sie haben dabei schon geformt und gedacht. Sie haben die menschliche Gestalt einbezogen. Sie kommen aus der Tradition, ich komme aus dem Nichts. Nur aus dem Nichts kommt das Neue!«
    Queenie hatte darauf keine Antwort zu geben. »Stumm geworden?«
    Queenie studierte unauffällig den hageren, großen Mann, sein schwarzes Haar, die dunkelblauen Augen, die saloppe Haltung, die aus besten Stoffen gefertigte Kleidung.
    »Es fällt mir nicht so leicht, mich auszudrücken«, sagte sie dabei. »Aber wieso ist das Schwarze und Braune bei Ihnen ein Nichts, Mister Clark? Ist es nicht ein Etwas?«
    »Verdammt, gehen Sie nicht auf diese sophistischen Irrwege. Das Nichts ist Dunkel und das Dunkel ist Nichts.«
    Queenie versuchte wiederum, in Schweigen auszuweichen. Aber die blauen Augen forderten und forschten.
    »Nun?«
    Queenie raffte sich auf, um zu formulieren, was sie empfand und tastend dachte. Ihre schlummernde Lust am Streitgespräch über Kunst begann zu erwachen; zu lange hatte sie es vermißt.
    »Im Innern des Tipi und im Innern des Menschen ist es dunkel. Doch liegt dort mehr als ein Nichts; es liegt dort auch mehr als ein bloßes Sein. Dort wohnen die Kraft und das Geheimnis.«
    Queenie hatte die letzten Worte scheu gesprochen, denn sie nannte etwas, was ihr heilig war. Clark wußte und fühlte das nicht.
    Seine Stimme wurde laut.
    »Was sind Menschen! Was sind Zelte! Gehen Sie doch endlich weg vom schon Geformten! Sie müssen sich unabhängig machen von aller Überlieferung. Der Künstler heute hat einen völlig neuen Partner: das All und das Chaos. Werden aus dem Chaos!«
    Queenie, einmal herausgefordert, nahm das Gefecht mit wachsendem Eifer auf.
    »Sind das All und das Chaos ein Nichts?«
    »Hartnäckig wie ein junges Büffelkalb. Das All ist alles und nichts, das Chaos ist die Totalität der Verwirrung. Ihre Tipi und Ihre Menschen sind schon Ordnung, jahrtausendealte Ordnung. Wir müssen aber von vorn anfangen, wir müssen heraus aus den Zeiten der Menschlichkeit, zum Ur-Werden. Was das Auge

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