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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Treppe zwischen den Wandgemälden hinauf und betrat ihr einstiges Zimmer, in dem sie nun wieder für ein Jahr wohnen sollte.
    Dicke, helle Teppiche umschmeichelten die Füße, mild abgeschattete Wände gaben den Bildern ihre eigene Wirkung frei.
    Queenie ließ sich im anschließenden Badezimmer das Wasser über den Körper spülen. Dabei sah sie sich selbst.
    Sie war wieder ganz jung, ebenmäßig, braun wie eine Nuß, wenn sie reift. Alles, was sie bis dahin umgeben hatte, graugrüne Wiesen, weiße Berge, Brüllen des Viehs, Blockhütte, Kinder, war weit fortgerückt. Sie war von neuem Schülerin, Kunstschülerin. Nur Kunstschülerin. Das Baccalaureat für alle theoretischen Fächer hatte sie an der Tagesschule erworben. Sie würde nur noch malen, nichts als malen, ein ganzes Jahr hindurch.
    Ein Ausnahmefall an dieser Schule und das Neue in Queenies Leben. Sie streckte sich auf das Bett in dem Schlafanzug aus japanischer Seide, den sie als junges Mädchen hier getragen hatte.
    Ein Ausnahmefall. Queenie dachte nach und spielte mit Bildern. Die Palette der Möglichkeiten war bunt.
    Sie mußte Vorbild werden, oder sie würde Außenseiter sein. Genie oder schönes Mädchen. - Junge Frau. - Junge Witwe, wenn man so wollte. - Junge Mutter. - Meisterschülerin. - Malerin. - Künstlerin. - Indianerin. - In den Formen einer Weißen. Queenie. - Tashina. -Glücklich. - Unglücklich.
    Ihr Schlaf wurde ein wirrer Traum.
    Zum Frühstück war sie bei dem Direktor der Schule eingeladen, jenem alten Direktor, der geweint hatte, als Queenie die Schule nach der elften Klasse verließ. Sie machte sich morgens früh fertig, vor dem Spiegel und mit aller Sorgfalt. Zwischen Hotels, Kirchen, Kolonnaden und verschlafenen Künstlerhäusern lief sie zu der flachen Anhöhe, auf der sich Mr. Lazy Eye angesiedelt hatte. Sein wahrer Name lautete Alexander, doch den vergaßen die Schüler.
    Mr. Lazy Eye war nicht daheim in dem Lande der Wüsten, des Öls, der Künstler und des Geschäfts; seine Heimat lag weit fort in einem anderen Kontinent, und es wär ihm nichts davon geblieben als strenge Heiligengesichter und dicke bunte Puppen. Nie würde er zurückkehren. Er hatte weder Frau noch Kinder, er war ein Einsiedler und widmete sich dem jungen indianischen Künstlervolk. Die Einrichtung der Kunstschule war seine Idee gewesen und seiner Initiative zu danken. Alle Schüler verehrten ihn; diese Empfindung hatte auch Queenie nicht vergessen.
    Queenie saß auf der Couch vor einem kleinen Tisch, aß >ham and eggs< und trank Tee dazu. Mr. Lazy Eye leistete ihr höflich Gesellschaft.
    Er hatte ein paar konventionelle Worte gesagt, wie sehr er sich darüber freue, daß eine der besten Schülerinnen doch noch den Abschluß auch in ihrem Kunstfach machen werde, was er kaum mehr zu hoffen gewagt habe - aber nun sei es doch Wirklichkeit geworden, und an Professor Clark könne Queenie King den denkbar besten Lehrer finden.
    Die Worte gingen an Queenie vorbei wie fremde Menschen, denen sie nicht mehr als eine flüchtige Aufmerksamkeit schenkte.
    Ihre Gedanken kreisten um die Einsamkeit des alten Mannes, der in dem Sessel neben ihr saß; ein alter Emigrant und eine einsam gewordene junge Frau saßen nebeneinander auf Polstermöbeln vor einem kostbaren Intarsientisch und tranken Tee. Bei ihnen stand eine mächtige büffellederne Trommel, eine der Merkwürdigkeiten der Prärie, die Mr. Lazy Eye gesammelt hatte; verstummt stand sie da, doch einst, als vier Trommler sie geschlagen hatten, in der Nacht, im Wind, unter Sternen, beim heiligen Baum, hatte sie mit dem tiefen Ton des Büffelbrüllens gerufen, und braunhäutige Männer hatten sich versammelt, um der Sonne zu opfern. Jetzt schwieg sie. Sie war noch nicht gestorben. Sie schlief mit ihrem Geheimnis und ihrer Kraft, und vielleicht wachte sie nie mehr auf, aber sie starb auch nicht. Sie war fortgebracht worden aus ihrer Heimat, weit fort wie Alexander Alexandrow und Tashina. Sie gehörte zu denen, die von ihren Wurzeln abgerissen waren und auf fremder Erde standen.
    Die Klöppel lagen bei der Trommel. Es gab keine Hand, die sie rührte.
    Queenie verabschiedete und bedankte sich nach angemessener Zeit in einer von Poesie leicht durchschwungenen Stimmung, die sie als blau-graue Ferne gemalt hätte. Sie machte sich auf den Weg zu dem Atelier von Professor Clark, der sie erwartete, und ihr Empfinden geriet dabei in die Beklemmung der Schüler-Ehrfurcht.
    James Clark galt als ein großer Maler. Das Haus, das er

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