Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
du mir dabei etwas von deiner Sonne?«
»Habe ich sie? Kannst du sie in meinen Augen finden?« »Hau.«
»Ich schenke sie dir, Inya-he-yukan.«
Das Gewölk über den weißen Felsen hatte sich verzogen. Der Mond leuchtete. Inya-he-yukan und Wakiya-knaskiya grüßten noch einmal das Grab des alten Häuptlings und gedachten des Gürtels, den er seinem Sohn gegeben hatte.
Dann gingen sie miteinander zu der Blockhütte und schliefen beide in Frieden, um stärker zu sein, wenn der Morgen wieder heraufzog.
Queenie Tashina King
I n der Zeit, in der Inya-he-yukan und Wakiya allein waren, blieb auch Tashina allein und für sich. Mit der Fahrt aus dem Tal der weißen Felsen zu dem Hause Ed Crazy Eagles begann für sie ein Leben, wie sie es bis dahin noch nicht erfahren hatte. Aber sie wandte sich um und schaute zurück in die Vergangenheit, denn sie vermochte sich dem gegenwärtigen Augenblick noch nicht zu stellen. Sie sah nichts als die Hände ihres Mannes, die das Steuer führten, braunhäutige schlanke Hände, deren Kraft in dem Leichten und Sicheren der Bewegung Ausdruck fand. Es war ein Ausschnitt aus der Wirklichkeit der vergangenen beiden Jahre, die ihr gesamtes Leben teilten in das, was vorher gewesen war, und das, was dann begonnen hatte, in Queenie Tashina Halkett und Queenie Tashina King. Queenie Halkett kehrte nicht zurück, und Tashina King war noch blind für die Zukunft.
Sie erkannte noch nicht, wohin ihr Leben weiter führte, ob es im Kreise lief und sich selbst biß, ob es in jenen feinen Sand geriet, in dem der Schritt versank, oder was für ein Ausblick sich noch auftun konnte.
Sie sah nur die Hände am Steuer als Zeugnis dessen, was gewesen war, und wenn sie sie auch Hunderte Mal gesehen hatte, so sah sie sie doch auf diese Weise heute zum erstenmal; denn es waren nicht mehr die Hände, die ihr gehörten und in deren Halt sie mit Inya-he-yukan zu einem einzigen Menschen verschmolzen war. Diese nahen Hände, auf die sie ihre Hand hätte legen können, waren unerreichbar fern und fremd wie steingeformte Hände, aus denen kein Blut mehr zum andern pulst.
Queenie Tashina hielt die Augen gesenkt. Sie vermochte es nicht über sich zu erleben, daß auch ein Gesicht zu Stein geworden sein konnte, nachdem der Zorn und der Spott darüber hingerauscht waren.
Nur Schritt für Schritt würde sie die Wahrheit ergreifen können, und was war die Wahrheit? Sie kannte nicht einmal sich selbst, und der Mensch an ihrer Seite hatte sich um eine Welt von ihr entfernt. Raum, leerer als Luft, lag zwischen ihnen. Wie wollte sie ihren Nächsten neben sich erkennen!
Aber sie liebte ihn, ohne es ihm oder sich selbst sagen zu dürfen, denn alle Worte waren unverständlich geworden wie Wind. Neben ihr saß ein Fremder, der der Vater ihrer Kinder war.
Der Motor ging leise, die Räder glitten über die glatte Straße, über diese graue plattgetretene Schlange; die weißen Felsen hatten sich versteckt. Das Tal wurde breiter. Kein Blick zurück hätte das Haus der Kings mehr erreicht.
Queenie ging ganz in sich selbst hinein und hörte auf zu denken.
Der Wagen fuhr.
Der Wagen stand.
Queenie stieg aus, ohne ihren Mann anzusehen.
Sie drückte die Tür des Wagens leise hinter sich zu, und während sie auf das Haus des Ed Adlergeheimnis zuging, war ihr der Hals zugewürgt, und die Knie machten sich bei jedem Schritt steif wie gelähmte Knie, aber doch ging die Puppe Queenie über den sandbestreuten Weg zwischen grünem Rasen auf die Haustür zu, klingelte wie jedermann und wartete, ohne etwas anderes wahrzunehmen, als blinkweiß gestrichenes Holz. Der Wagen, dem Queenie den Rücken zugekehrt hatte, setzte sich in Bewegung.
Die Haustür vor Queenie ging auf, und die junge Indianerin trat ein.
Der Abend war mild. Durch ein geöffnetes Fenster zog der Duft ausgeblühter Blumen und ausgetrockneten Holzes herein.
Ed und Margot Adlergeheimnis zeigten keine Neugier, sie fragten nichts und sprachen mit keinem Wort darüber, daß Queenies Mann eine gerichtliche Vorladung erhalten hatte. Queenie Tashina selbst wechselte die Maske. Sie lächelte mit einer abgewandten Ruhe und Freundlichkeit und bat darum, mit der Kunstschule im fernen Süden telefonieren zu dürfen. Bei dem Worte >telefonieren< setzte sich ihre Maske fester und bequemer, denn es war ein Wort der Technik, fernab allem Gefühl, außerhalb des lebendigen Menschen.
Über Hunderte von Meilen hinweg sprach eine Schulstimme zu ihr, die ihr vertraut klang. Sie erfuhr,
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