Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
wenn er sie nur finden würde. Er ist ein Philister geworden.«
Queenie ging in Opposition.
»Dazu eben will er mich nicht werden lassen.«
»Ein Ertrinkender warnt den, der am Ufer steht.«
Queenies Lust am Wortgefecht wachte wieder auf.
»Ertrinken Philister?«
Phyllis spürte Queenies Widerstand und begann die Diskussion ernst zu nehmen.
»Ja, sie ertrinken, aber sie wissen es nicht. Sie saufen das Wasser schon und schlafen damit ein. Der Schrecken ist vorüber.«
»Auch wenn sie warnen?«
»Du hast ihn noch einmal geweckt vor dem Versinken.«
»Ich?«
»Mit deinen Augen. Er hat das Werden neunzehnmal gemalt und achtzehnmal verkauft. Jetzt weiß er nicht mehr, was er malen soll. Er unterrichtet. Sein Plan ist die Kreuzigung. Er macht die ersten Studien. Aber sie taugen nichts. Nur Technik. Er ist wie der Mann, dem alles zu Gold wurde, was er auch anfaßt. Er mag machen, was er will, es wird Routine; er verhungert und verdurstet dabei, während er fett werden könnte. Erlösung sucht er bei uns. Bei dir.«
»Das ist Schmalz, was du da redest, Phyllis.«
»Routine und Schmalz gehören zusammen. Ich sage, was ist, in der Sprache des großen James Clark, der die Malerei auf sein Brot streicht, weil er es nicht gerne trocken ißt.«
»Du malst dir ein Bild von Clark, und dann verspottest du es.«
»Ich male nicht, ich musiziere.«
Phyllis pfiff vor sich hin, ein Navajolied, einfach und hell.
»Warum musizierst du überhaupt, Phyllis?«
»Was meinst du wohl?«
»Weil du dich selbst ausdrücken willst.«
Als Queenie diese Worte aussprach, wußte sie schon, daß sie damit den zweiten Fehler gemacht hatte. Phyllis war herb und mochte ihr Inneres nicht zeigen.
»Sich selbst ausdrücken? Die Redensart hast du hier gelernt. An mir selbst ist aber nicht viel, und es lohnt sich nicht, das Wenige auszudrücken. Ich bin nicht so bedeutend wie ihr alle. Ich will aus mir heraus und in die Dinge hinein. Die Dinge sind nicht fest, sie schwingen. Wir sehen es nur nicht.«
»Du fühlst es.«
»Gefühl ist Unsinn. Ich erkenne die Dinge. Ich horche, dann höre ich sie.«
»Hörst du auch das Mißtrauen?«
»Bist du eifersüchtig? Du klingst so abgehackt und konfus. Keine lange Welle mehr und kein Grundton. Alles Krampf. Es ist ungesund. Deshalb hast du auch Fieber. Wenn du so weitermachst, gehst du ein. Das ist noch die einzige Hoffnung.«
»Hoffnung?«
»Zeichen, daß deine gegenwärtige Melodie nicht zu dir paßt. Sie stinkt wie schlechtes Parfüm. Es verklebt die Poren, dann erstickt der Mensch.«
»Wahrhaft ermutigende Hoffnung.«
»Mal doch, was Clark haben will. Mal ihm sein Chaos und verdiene. Meisterschülerin Queenie King.«
Das saß.
Queenie sprang aus dem Bett. »Ich male euch das Chaos! Wenn ihr mich so und nicht anders sehen wollt, sollt ihr mich so haben - „
Phyllis schwelgte in Ironie. Sie hatte das nicht, was Queenie besaß, die Anziehungskraft des Eros: Phyllis war eifersüchtig»Hübscher Zorn, kleine Königin, und was du für blutfarbene Backen hast! Du bist überhaupt schön und ein Weibchen. Die Burschen träumen alle von dir. Und du zeigst dich so herrlich kalt, so phantasiebeschwingend eisig - Ein Labsal in der schwülen Liebesluft hier.«
»Löffelt das Labsal und schleckt an dem Eisstiel. Daß euch nur die Zunge nicht kleben bleibt!«
Queenie hockte auf der seidenbezogenen Daunendecke und schob die Zungenspitze zwischen den Lippen hervor. Sie war wieder ganz überlegen und dadurch unvorsichtig zutrauend.
»Du bist dumm, Phyllis, nichts weißt du. Was für ein Irrsinn alles! Durcheinander und nichts auf seinem Platz. Wenn ich euch alle samt und sonders erst hinter mir habe, male ich wieder. Eifersucht? Nun, von mir aus Eifersucht! Hast du schon einmal begreifen müssen, daß das Mißtrauen wie ein Sumpf ist? Wo du hintrittst, gibt der Boden nach, er gurgelt dir unter dem Fuß, und ein paar Blasen steigen auf wie Krötenaugen - sie wollen erst einmal sehen, welches Opfer sich verirrt hat und ob es sich lohnt, es herunterzuziehen -dann sammeln sie sich, und sie verbergen sich, und du glaubst, du hast wieder festen Tritt - aber es ist nichts als Verführung, damit du weiterläufst - und auf einmal schwankt alles rings -, dann haben sie dich, und es lacht unter dir. Deine Füße sind schon verschwunden und gepackt, während dein Kopf noch denkt und deine Augen die Sonne noch sehen - aber du gehst keinen Schritt mehr, und wenn du schreist, hört dich nur der Sumpf des
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