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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Mißtrauens.«
    »Sehr dramatisch.«
    Queenie wurde zornig.
    »Ja, natürlich. Höhne nur! Sehr dramatisch. Es kann auch Menschenleben kosten. Sehr dramatisch! Hast du schon einmal erfahren, daß Menschen in Kerkern saßen, umgarnt vom Mißtrauen, von ihrem eigenen und von dem der andern, und daß sie starben, erstickt vom Mißtrauen?«
    »Ich weiß. Du bist mit einem Gangster verheiratet.«
    Queenies Gesicht glättete sich. Sie schaltete die opalfarbene Wandlampe aus, langsam und sorgfältig, um nicht etwa die Schaltschnur abzureißen. Sie legte sich in die Kissen, zog die Daunendecke über den Körper und streckte sich auf den Rücken, sehr gerade wie eine präzise gebettete Leiche, und sie legte die Arme und die Hände auf die Decke in genau berechnetem Abstand.
    Dann schloß sie die Augen. Der Angriff der anderen hatte sie zu überraschend und in einem zu offenen hilflosen Zustand getroffen. Sie konnte sich nur totstellen wie ein wehrloses Tier. Aber in ihrem Innern arbeitete es; der Panzer bildete sich, und die Waffen wurden geschmiedet.
    Phyllis spürte, daß sie zu roh angegriffen hatte, und sagte nichts mehr.
    Als der Morgen kam, war Queenies Fieber gewichen. Sie nahm das Frühstück mit den andern und aß nicht weniger als sie. Sie ging in das Atelier, in dem sie arbeiten konnte, warf alle bisherigen Studien wieder fort und begann den Entwurf eines Kolossalgemäldes.
    Gegen Mittag kam Clark und betrachtete Queenie bei ihrer Tätigkeit.
    »Wollen Sie schon darüber sprechen?«
    »Warum nicht? Es wird ein Werden. Das Werden des Dunklen aus dem Hellen, des Chaos aus der Ordnung. Sumpf aus der Erde. Schlangen aus Menschen. Verdacht aus Vertrauen.«
    »Vom Geformten kommen Sie noch immer nicht los.«
    »Weil das Geformte allein dem Nichtgeformten seine Unform gibt. Lassen Sie mich in Ruhe, Mister Clark. Ich weiß, was das hier werden muß, und ich werde damit Erfolg haben.«
    »Darauf kommt es Ihnen auf einmal an?«
    »Nur.«
    »Lügen Sie nur mich oder lügen Sie auch sich selbst an?« »Alles in allem, Mister Clark, und das wird gemalt.« »Sie sind eine sehr interessante Indianerin.«
    Seit dem Gespräch mit Phyllis war Queenie besessen von einem schaffenden Haß. Sie arbeitete von der Frühe bis zum Abend. Ihre Mitschüler gingen scheu um sie herum. Sie hatte sich Achtung erzwungen, aber es blieb nach wie vor kalt um sie. Sie hatte das so haben wollen, und doch fror sie. An den Abenden saß sie für sich allein im Klubraum, lesend oder auch stundenlang nachdenkend. Sie ging zu den Konzerten der Musikschüler, bei denen auch Phyllis mitspielte, aber sie sprach mit niemandem über ihre Eindrücke.
    Hin und wieder kam einer der jungen Bildhauer in ihren Gesichtskreis. Sein Name war Edward. Sie beobachtete ihn. Er schaute sich nie nach ihr um. Edward war etwas älter als die meisten Schüler, da er erst spät für die Kunstschule entdeckt worden war.
    Die Mitschüler munkelten, daß er eine geniale Begabung sei. Der Entwurf zu dem Brunnen im Garten stammte von ihm; die Form war ganz aus der Natur des Wassers heraus gedacht, in sich eins und doch von Stufe zu Stufe gegliedert. Queenie sehnte sich nach einem Gespräch mit Edward. Er wirkte anders, eigenständig; er konnte ein Gegenpol zu Clark und auch zu Phyllis sein. Seine zur Schau getragene Gleichgültigkeit zog sie an. Es schien ihr, daß er unter den Schülern ein ebensolcher Einsiedler sei wie sie selbst. Er wurde von allen anerkannt, aber er hatte kein Mädchen und keinen persönlichen Freund. Er war den Steinen verwandt, die er bearbeitete. Die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, kam für Queenie ohne ihr Zutun.
    Sie lag schon zu Bett, air-conditioned die Luft, zart die Daunendecke, und döste Widerspruch. Phyllis aber war munterer gestimmt als je.
    »Queenie?«
    »Ja.«
    »Schläfst du schon?« »Nein.«
    »Machst du morgen abend mit?« »Mit wem?«
    »Mit uns. Edward ist dabei. Ich soll dich einladen.«
    »Ich komme.«
    »Gut.«
    Es versprach, ein Abenteuer zu werden, Phyllis, Queenie, Victoria, Walt, Richard und Edward stahlen sich aus der Schule fort, um in einem alten kleinen Haus in einer alten kleinen Gasse Wein zu trinken. Das war für die Schüler streng, da sie Indianer waren, sogar gesetzlich verboten, und die Abenteurer konnten mit Gefängnis bestraft werden, wenn sie sich unvorsichtig, etwa gar betrunken sehen ließen. Queenie wußte das. Aber sie hatte Lust, irgendwie und irgendwo einmal frei, einmal unkontrolliert zu sein; sie fühlte ein

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