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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Internatsverwaltung schickte sie zum Arzt. Er konnte den wahren Grund ihres Fiebers nicht finden, meinte nur, sie habe zu lange gestillt, dann zu schnell abgestillt. Queenie ließ es bei dieser Diagnose bewenden.
    Sie setzte sich hin und schrieb an ihren Pflegesohn Wakiya-knaskiya.
    Dann wartete sie wieder.
    Eines Tages war sie unter denen, die Post empfingen. Die Frau, die die Briefe und Karten aushändigte, schaute Queenie freundlich an, glücklich, daß sie ihr einen Brief geben konnte, ein wenig fragend und zaghaft, ob Queenie sich über die Kinderhandschrift freuen würde.
    Sie freute sich.
    Als alles im Hause still und die Lichter schon gelöscht waren, nahm Queenie ihre Taschenlampe und las unter der Decke.
    »Liebe Mutter Tashina! Nun kann ich Dir alles erzählen. Die Lügen des Harold Booth waren wieder lebendig geworden, obwohl Du ihn erschossen hast und er im Grabe liegt. Du hast einen Strauß auf sein Grab gelegt, das hat Mr. Whirlwind gesehen. Weißt Du das noch? Mein Wahlvater Inya-he-yukan mußte glauben, daß Du Crazy Eagle erzählt hast, was geschehen ist, daß er zwei Pferdediebe erschossen hat. Darum hat er auch alles zugegeben. Sie haben ihn gefesselt vor Gericht gebracht, und meines Vaters Brudersohn hat gegen ihn gesprochen und wollte ihn töten lassen. Inya-he-yukan kam in den Kerker, wo er die Sonne nicht sehen kann. Aber dann hat Mary endlich die Wahrheit gesagt. Sie wußte, daß Inya-he-yukan in Notwehr gehandelt hat, und sie hat gegen ihren eigenen Bruder gezeugt. Darum hat sie jetzt keinen Vater und keine Mutter mehr. Sie ist ganz allein. Sie ist gut. Manchmal kommt sie zu uns. Aber Inya-he-yukan hat die geheime Sonne in seinen Augen verloren. Ich durfte ihm die meine dafür geben. - Untschida und die Zwillinge sind wieder bei uns. Wir fangen mit der Schulranch an. Bitte schreibe mir. Du sollst aber nicht heimkommen; Du sollst malen. Das wolltest Du ja. Malst Du?
    Wakiya-knaskiya Byron Bighorn.«
    Queenie las den Brief zweimal, dann wußte sie ihn auswendig und konnte ihn sich jederzeit hersagen, wenn sie sich selbst martern wollte.
    Sie stand leise auf und verschloß den Brief in einem. Kästchen, in dem sich auch ein völlig vertrockneter Kaktus befand.
    Ihr Fieber stieg. Wenn sie schwer krank wurde. nein, wenn sie schwer krank wurde, durfte sie auch nicht nach Hause. Dann würde sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden.
    Queenie - malst du?
    Sie schrieb des Nachts einen Antwortbrief an Wakiya-knaskiya Byron Bighorn, Indian-Reservation, King-Ranch.
    »Lieber Wakiya. Herzlich danke ich Dir, daß Du mir geschrieben hast. Sage bitte Deinem Wahlvater Inya-he-yukan, daß Crazy Eagle mich nichts gefragt hat und ich ihm nichts erzählt habe. Ich male fleißig, aber Professor Clark ist unzufrieden mit mir. Grüße Untschida, Mary, Bob und Alex und die Kleinen. Erzähle mir bitte von der Schulranch.
    Deine Tashina.«
    Phyllis Rethel war über Queenies Unruhe wach geworden und schaltete die opalfarbene Wandbeleuchtung an. Draußen war Nacht und Wind.
    Queenie begann zu sprechen. Sie fühlte sich verwundet und unsicher und suchte einen Menschen, der sie verstand und ihr helfen konnte. Vielleicht konnte ihre Zimmergenossin ihre Freundin werden, wie es in früheren Jahren Ella, das Hopimädchen, gewesen war.
    »Was ist Chaos, Phyllis?«
    »Das Steckenpferd von James Clark.«
    Das war in Worten ein Scherz, aber der Angriff war darin verborgen.
    Phyllis hatte nicht nur strenge Züge, sie hatte auch eine festgefügte Stimme. Queenie begriff bei dem Ton der Antwort, wie fern und fremd von ihr dieses Mädchen lebte und dachte. Trotzdem fragte sie weiter.
    »Phyllis, kann ein Mensch auch das Unfaßbare lächerlich machen?«
    »Alles kann er.«
    »Es spielt mit dem Menschen, und er greift es nicht. Vielleicht ist der Mensch lächerlich.«
    »Clark hat die Angst vergessen. Er tanzt mit seinem Pinsel.«
    »Er sucht die Angst bei uns, weil er sie nicht mehr finden kann. Aber haben wir sie überhaupt?«
    »Geheimnisse sind keine Angst. Sie sind Schauer. Fruchtbar. Angst? Feigling oder Snob.«
    Phyllis schien selbstsicher, und Queenie wußte, daß sie mit dem nächsten Wort einen Fehler beging, aber sie war nicht imstande, ihn zu vermeiden.
    »Ich habe Angst, Phyllis.«
    Phyllis schlug sofort zu. Sie haßte Schwäche.
    »Du bist eine kleine Frau geworden, Queenie. Den >Schwarzen Stier< und den >Tanz in der Nacht< traut dir keiner von uns mehr zu. Du hast die Sorte Angst, die auch James Clark haben könnte,

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